Für Radfahrer nicht eigens geregelt ist die Vorfahrt im Kreisverkehr. § 8 Abs. 1a S. 1 StVO bestimmt: "Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. …"
Das Oberlandesgericht Hamm hatte zu entscheiden, wer Vorfahrt hat, wenn sowohl Radfahrer als auch Autofahrer an einem Kreisverkehr das Verkehrszeichen "Vorfahrt gewähren" zu beachten haben.
Eine 67jährige Radfahrerin fuhr mit ihrem E-Bike innerorts auf dem neben der Kreisfahrbahn eines Kreisverkehrs geführten Radweg. Der Radweg war durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen von der Kreisfahrbahn abgesetzt und querte die in den Kreis einmündenden Straßen jeweils in deren Einmündungsbereich. Dort stieß sie mit einem Pkw zusammen, der in den Kreisverkehr einfahren wollte. Die Besonderheit der Verkehrsführung bestand hier darin, dass sich sowohl für den einbiegenden Fahrzeugverkehr als auch für den auf dem Radweg des Kreisverkehrs fahrenden Radverkehr jeweils das Zeichen 205 der StVO "Vorfahrt gewähren" befand. Es kam zur Kollision beider Fahrzeuge, wobei die Radfahrerin zu Fall kam und sich verletzte. Sie begehrte Schadensersatz und machte geltend, der Pkw-Fahrer habe ihr Vorfahrtsrecht verletzt; er hätte sie vor der Einfahrt in den Kreisverkehr passieren lassen müssen. Das Landgericht Münster gab der Klage mit einer Haftungsquote von 2/3 statt. Die Berufung des Pkw-Fahrers führte zur vollständigen Klageabweisung.
Nach Auffassung des OLG Hamm ist ein Radfahrer, der auf einem neben einem Kreisverkehr geführten Radweg fahre und das Verkehrszeichen "Vorfahrt gewähren" zu beachten habe, gegenüber Autofahrern, die in den Kreisverkehr einfahren wollen, wartepflichtig. Das gelte auch dann, wenn die Autofahrer vor dem Radweg und dem Erreichen des Kreisverkehrs selbst das Zeichen "Vorfahrt gewähren" in Kombination mit dem Zeichen "Kreisverkehr" passieren müssten.
Die Radfahrerin treffe daher ein erhebliches, eine Mithaftung des Pkw-Fahrers ausschließendes Eigenverschulden am Unfall. Der Pkw-Fahrer habe kein Vorfahrtsrecht verletzt. Aufgrund der von der Radfahrerin zu passierenden Verkehrszeichen sei der Pkw-Fahrer lediglich gegenüber dem auf der eigentlichen Kreisbahn befindlichen Verkehr wartepflichtig gewesen und nicht auch gegenüber Radfahrern, die den neben der Kreisbahn befindlichen Radweg benutzten. Demgegenüber habe die Radfahrerin dem Pkw-Fahrer Vorfahrt gewähren müssen, ihre Wartepflicht gelte nicht nur gegenüber Fahrzeugen, die vom Kreisverkehr in die Zufahrtsstraße abbiegen, sondern auch gegenüber den Fahrzeugen, die über die Zufahrtsstraße in den Kreisverkehr einfahren wollten. Nur so verstanden ergebe die vorhandene Beschilderung einen Sinn. Hinzu komme, dass die Radfahrerin über einen abgesenkten Bordstein vom Radweg auf die Fahrbahn der Zufahrtstraße gefahren sei. Nach der Straßenverkehrsordnung habe sich derjenige, der über einen abgesenkten Bordstein auf eine Fahrbahn einfahre, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Daraus folge, dass ihm insoweit auch kein Vorfahrtsrecht zustehen könne. Im Übrigen fehlten auf der Fahrbahn der Zufahrtsstraße Markierungen für einen querenden Radweg, was ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür sei, dass ein querender Radfahrer wartepflichtig sei.
Der BGH wies die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Auf den ersten Blick erschien die Verkehrsführung im Bereich des Kreisverkehrs zwar unklar. Bei näherem Hinsehen ergab sich jedoch aufgrund der bei den Akten befindlichen Fotos, dass der Radweg, der um die Kreisfahrbahn herumführte, im Bereich der Straßeneinmündungen nicht fortgeführt, sondern jeweils unterbrochen und deshalb mit dem Zeichen 205 "Vorfahrt gewähren" versehen war. Im Hinblick darauf billigte der BGH die Auffassung des OLG Hamm, dass die Radfahrerin wartepflichtig war. Die Haftungsquote hätte natürlich auch etwas anders ausfallen können, doch war insoweit kein zulassungsrelevanter Rechtsfehler zu erkennen.