"… Nach st. Rspr. hängt die Verwertbarkeit solcher Aufnahmen von den jeweils schutzwürdigen Interessen der Parteien ab, die gegeneinander abzuwägen sind (vgl. AG München, Urt. v. 6.6.2013, Az. 343 C 4445/13, Ziffer 13; BVerfG NJW 2002, 3619; vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 371, Vorbemerkung, Rn 6). Indizwirkung hat dabei auch der Verstoß gegen einfachgesetzliche Normen. Verbotswidrig erlangte Beweismittel sind nur ausnahmsweise verwertbar, nämlich wenn der geschützten Eigensphäre überwiegende berechtigte Interessen gegenüberstehen."
Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem Pkw installierte Autokamera (“Car-Cam‘ bzw. “Dash-Cam‘) verstößt gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG sowie gegen § 22 S. 1 KunstUrhG und verletzt den Bekl. in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Es liegen auch keine überwiegenden Interessen des Beweisführers vor, die die Verwertung dieser rechtswidrig erlangten Beweismittel erlauben würden.
1. Verstoß gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG
Die anlasslose Verwendung der Autokamera verstößt gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG.
Das Bundesdatenschutzgesetz bezweckt gem. § 1 Abs. 1 BDSG den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seines Persönlichkeitsrechts. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gilt das BDSG dabei auch für nicht-öffentliche Stellen, insb. für natürliche Personen, vgl. § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG.
Gem. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Franzen, BDSG, § 6b,Rn 4 ff.).
Zwar ist der Zweck der Autokamera, die Sicherung von Beweismitteln im Falle möglicher Verkehrsunfälle, hinreichend konkret, es überwiegen allerdings die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an der Wahrung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (dazu Nr. 3). Die Zulassung solcher Videos als Beweismittel durch die Zivilgerichte würde zweifellos zu einer weiten Verbreitung oder sogar standardmäßigen Ausstattung mit Carcams führen. Was mit den so gefertigten Aufzeichnungen geschieht und wem diese zum Beispiel über eine Cloud zugänglich gemacht werden, wäre jeglicher Kontrolle insb. durch die aufgezeichneten Personen entzogen. Ebenso wäre eine Auswertung durch eine entsprechende Gesichtserkennungssoftware jeder Kontrolle entzogen. Damit wäre eine privat organisierte dauerhafte und flächendeckende Überwachung sämtlicher Personen, welche am öffentlichen Verkehr teilnehmen, denkbar. Im Gegensatz zur dauerhaften Offenbarung privater Daten in Diensten wie Facebook, wo dies von den Teilnehmern freiwillig geschieht, wäre dieser Datensammlung jedermann ausgesetzt, der sich in die Öffentlichkeit begibt.
2. Verstoß gegen § 22 S. 1 KunstUrhG
Die anlasslose Verwendung der Autokamera verstößt ferner gegen § 22 S. 1 KunstUrhG.
Danach dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Ausnahme besteht nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG für Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen.
Der permanente Einsatz der Autokamera führt auch zur Erstellung von Fotografien derjenigen Personen, die außerhalb des Kfz des Verwenders am Straßenverkehr beteiligt sind, sei es als Insassen eines anderen Kfz, sei es etwa als Fußgänger. Sinn und Zweck der Erstellung dieser Bildnisse ist die Beweisführung in einer möglichen Gerichtsverhandlung, die gem. § 169 S. 1 GVG öffentlich ist.
Ein Ausnahmetatbestand liegt nicht vor, insb. sind die abgebildeten Personen nicht bloßes “Beiwerk‘, sondern ihre Aufzeichnung ist im Gegenteil gerade das Ziel des Verwenders (vgl. OLG Frankfurt a.M. MMR 2004, 683 f.; Beck’scher Online-Kommentar Urheberrecht/Engels, KunstUrhG, § 23, Rn 13 “Hauptmotiv‘). Zwar haftet gem. § 7 StVG der Halter eines Kfz ohne Rücksicht auf seine Person, so dass sich das Interesse insoweit auf ein Fotografieren des Kfz-Kennzeichens reduzieren dürfte. Allerdings hat der Verwender regelmäßig auch ein Interesse daran, die Person des Fahrzeugführers ausfindig zu machen, etwa um Ansprüche gem. § 18 StVG oder § 823 BGB geltend zu machen. Insb. bei Radfahrern und Fußgängern ist § 823 BGB alleinige Anspruchsgrundlage.
Jedenfalls aber erstreckt sich die Befugnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird, Abs. 2. Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs und der an ihm beteiligten oder sogar unbeteiligten Personen verletzt die Betroffenen jedoch in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (dazu sogleich Nr. 3).
3. Verletzung des Betroffenen in seinem Grundrecht auf Informationelle Selbs...