BGB § 307; VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
1. Ist der in den AGB eines gewerblichen Kfz-Vermieters vorgesehene Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, findet die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung.
2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei einem selbstverschuldeten Unfall mit einem angemieteten Kfz.
BGH, Urt. v. 15.7.2014 – VI ZR 452/13
Sachverhalt
Die klagende gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin nimmt den Bekl. auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Ehefrau, der ehemaligen Bekl., am gemieteten Kfz der Kl. verursacht hat. In dem Mietvertrag ist eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 350 EUR pro Schadensfall vereinbart. Die dem Mietvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Vermietbedingungen enthielten u.a. folgende Regelungen:
"I.2 Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen. … In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn … er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben." Nach der im Vertrag unter I.7 getroffenen Regelung gelten sämtliche Rechte und Verpflichtungen aus dem Mietvertrag zugunsten und zulasten des berechtigten Fahrers. Der Bekl. verursachte am 13.6.2010 gegen 20.00 Uhr einen Verkehrsunfall, weil er vor einer Kreuzung das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtete. In der Kreuzungsmitte stieß das Mietfahrzeug mit einem anderen Kfz zusammen und wurde im Frontbereich erheblich beschädigt.
Die Kl. hat mit der Klage Reparaturkosten, Wertminderung und Sachverständigenkosten sowie eine Kostenpauschale mit einer Quote von 75 % geltend gemacht. Das LG hat die Klage auf Zahlung von 5.378,15 EUR abgewiesen. Das OLG hat der Klage unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % stattgegeben. Die zugelassene Revision des Bekl. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das BG.
2 Aus den Gründen:
[7] "… Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand."
[8] 1. Zutreffend geht das BG allerdings davon aus, dass der in den Allgemeinen Vermietbedingungen der Kl. vorgesehene Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, denn diese Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab und ist mit diesen nicht zu vereinbaren. Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, so darf dieser nämlich darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kfz und als VN in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kfz seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner AGB die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 20.5.2009 – XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn 13). In der Fahrzeugvollversicherung ist – wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht – eine Vertragsbestimmung in AGB, wonach der VN voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (Senatsurt. v. 11.10.2011 – VI ZR 46/10, BGHZ 191, 150 Rn 12 m.w.N.). Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen Haftungsfreistellung – wie hier – in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich vorgesehen ist (Senatsurt. v. 11.10.2011 – VI ZR 46/10, a.a.O. Rn 14).
[9] 2. Mit Recht nimmt das BG auch an, dass an die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG tritt.
[10] a) Ist eine Klausel in AGB nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (MüKo-BGB/Basedow, 6. Aufl., § 306 Rn 21; vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1981 – II ZR 76/81, NJW 1982, 824, 825). Das gilt entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung, die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.6.2009 – XII ZR 19/08, VersR 2010, 260 Rn 18 f.; vom 2.12.2009 – XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480 Rn 14 u...