BDSG § 3 Abs. 1 und 3–5 § 6b § 27 § 38 Abs. 5
Leitsatz
1. Der Einsatz einer On-Board-Kamera in einem Pkw zur Verkehrsbeobachtung stellt eine Verarbeitung, Nutzung und Erhebung von Daten in nicht automatisierten Dateien dar, da den Bildaufzeichnungen weitere Informationen, wie Uhrzeit, Datum und eventuell auch Standort beigefügt werden.
2. Die Anwendung des § 38 Abs. 5 BDSG als Grundlage einer Untersagungsverfügung hinsichtlich der rechtswidrigen Nutzung der On-Board-Kamera scheitert nicht an § 27 Abs. 1 S. 2 BDSG, da die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgt, da sie in der Absicht gefertigt werden, sie im Bedarfsfall einer Behörde als Beweismittel für Verkehrsverstöße vorzulegen.
3. Vor der Untersagung einer Nutzung einer On-Board-Kamera muss die Aufsichtsbehörde zunächst eine Anordnung nach § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG auf Beseitigung der Anlage, verbunden mit einer Verhängung eines Zwangsgeldes, erlassen und kann im Regelfall erst dann die Untersagungsverfügung nach § 38 Abs. 5 S. 2 BDSG erlassen, wenn die Anordnung nicht befolgt worden ist.
4. Gem. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist.
5. § 6b Abs. 1 BDSG erfasst auch mobile Kameras, da nur so erreicht werden kann, dass die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume umfassend verhindert werden kann.
6. Dass der Einsatz der On-Board-Kamera und die Gewinnung von Daten des Verkehrsgeschehens dem berechtigten Interesse des die Kamera Einsetzenden dienen kann, mag ein berechtigtes Interesse an der Gewinnung einer günstigen Beweisposition begründen, das jedoch hinter höherrangigen in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzten aufgenommenen Personen zurücktreten muss.
7. Für die Bestimmtheit der Untersagungsverfügung ist es erforderlich, dass die On-Board-Kamera genau umschrieben wird. Insb. sind Herstellnummer, Modellbezeichnung und Fabrikationsnummer zur Herbeiführung der Vollstreckungsmöglichkeit anzuführen.
8. Die Vorschrift des § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG begründet kein der erlassenden Behörde eingeräumtes intendiertes Ermessen, das nur bei einer Abweichung vom Regelfall eine Begründung in der Untersagungsverfügung erfordert. Die Befugnisnorm des § 38 Abs. 1 S. 1 BDSG stellt keine Einräumung intendierten Ermessens dar, da die Intensität von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften sehr unterschiedlich sein kann, von der Regelhaftigkeit ohne die Notwendigkeit einer Ermessensausübung vor Erlass der Untersagungsverfügung nicht ausgegangen werden kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
VG Ansbach, Urt. v. 12.8.2014 – AN 4 K 13.01634
Sachverhalt
Ein Rechtsanwalt aus Mittelfranken zeigte regelmäßig Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer an und lieferte teilweise als Beweismittel von ihm mit seiner an der Frontscheibe seines Pkw befestigten Videokamera hergestellte Aufnahmen. Nach Anhörung des Kl. erließ das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht die mit der Klage angefochtene Verfügung. Darin untersagte sie dem Kl., mit seiner in seinem Fahrzeug eingebauten On-Board-Kamera während der Autofahrt permanente Aufnahmen des von ihm befahrenen öffentlichen Bereichs zu fertigen und weiterhin wurde ihm die Verpflichtung auferlegt, Aufnahmen innerhalb einer Woche nach Unanfechtbarkeit des Bescheids zu löschen und die Löschung gegenüber der den Bescheid erlassenden Behörde zu bestätigen. Weiterhin wurde eine Zwangsgeldandrohung bei Verstößen gegen die Anordnungen erlassen.
Das VG ging unter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien davon aus, dass die Fertigung von Aufnahmen mit der vom Kl. angebrachten On-Board-Kamera rechtswidrig sei, der Bescheid jedoch rechtsfehlerhaft ergangen sei. Wegen fehlender Beschreibung der On-Board-Kamera was Herstellername, Modellbezeichnung und Fabrikationsnummer betreffe, sei eine Vollstreckung aussichtslos, damit die Anordnung nicht hinreichend bestimmt. Weiterhin leide das bei Erlass des Bescheids eingeschlagene Verfahren daran, dass die Behörde keine ausreichende Ermessensausübung vorgenommen habe.
2 Aus den Gründen:
"… Die zulässige Klage ist begründet. Die Anordnung in Ziffer 1.a) des Bescheids (I.) und die Anordnungen in Ziffer 1.b) und c) (II.) sind rechtswidrig und verletzen den Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 2 und die Nebenentscheidungen in Ziffer 3 des Bescheids (III.)."
I. Die Anordnung des Bekl. in Ziffer 1.a) des Bescheids, mit der dem Kl. untersagt wurde, mit der im Fahrzeug des Kl. eingebauten On-Board-Kamera während der Autofahrt permanente Aufnahmen des von ihm befahrenen öffentlichen Bereichs zu machen, ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten. Zwar ist § 38 Abs. 5 BDSG vorliegend anwendbar (1)), die Anordnung ist aber rechtsfehlerhaft ergangen (2)).
1) Der Bekl. stü...