StGB § 315c
Leitsatz
Eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung mit Anwendung des Strafrahmens des § 315c Abs. 1 StGB kann nicht angenommen werden, wenn der Unfall fahrlässig herbeigeführt wurde.
BGH, Beschl. v. 9.9.2014 – 4 StR 365/14
Sachverhalt
Der BGH hat auf die Revision des Angekl. das Urteil des LG im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 5 (Fall 4 – § 315c StGB) der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[1] Das LG hat den Angekl. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, "besonders" gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wegen Nötigung sowie wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Sperrfrist nach § 69a StGB angeordnet. Die Revision des Angekl., mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
[2] 1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II. 2 (Fall 1), II. 3 (Fall 2) und II. 4 (Fall 3) halten rechtlicher Nachprüfung stand. Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch im Fall II. 5 (Fall 4) nicht bestehen bleiben.
[3] Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift v. 18.8.2014 ausgeführt:
"Das LG hat den Angekl. wegen der Tat v. 10.12.2013 der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen. Es hat die Strafe dem Strafrahmen des § 315c Abs. 1 StGB entnommen und dabei übersehen, dass die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB hinsichtlich aller Tatumstände zumindest bedingten Vorsatz verlangt. Vorsatz ist deshalb nicht nur für die Kenntnis der Fahrunsicherheit, sondern auch bezüglich der konkreten Gefahr erforderlich. Der Täter muss die Umstände kennen, die den Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als nahe liegende Möglichkeit erscheinen lassen und diese Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf nehmen (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 315c Rn 48)."
Die Revision wendet zu Recht ein, dass das LG von einem fahrlässig herbeigeführten Unfall mit dem Fahrzeug der Zivilstreife ausgegangen ist. Denn es hat bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts ausgeführt, der Angekl. hätte bei Anwendung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt erkennen können, dass es aufgrund seiner Fahruntüchtigkeit zu einem Zusammenstoß und dadurch verursachten Verletzungen anderer kommen konnte (UA S. 30). Somit liegt die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB vor, für die eine erheblich mildere Höchststrafe gilt.
Zudem hat das LG in den Fällen 2 und 4 der Urteilsgründe eine verminderte Schuldfähigkeit des Angekl. angenommen und hätte daher auch im Fall 4 eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB prüfen müssen.“
[4] Dem schließt sich der Senat an.
[5] 2. Infolge der Aufhebung der im Fall II. 5 (Fall 4) verhängten Einzelstrafe kann auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.“
3 Anmerkung:
Das Zusammenspiel der Absätze in der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315c StGB (parallel natürlich auch in § 315b StGB) führt immer wieder zu Fehlern in der Rechtsanwendung. Wegen § 11 Abs. 2 StGB gilt auch die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination als Vorsatztat und muss entsprechend ausgeurteilt werden. Dennoch gilt aber der Strafrahmen des § 315c Abs. 3 StGB.
Diese Nuance kann auch weitergehende Folgen haben, nämlich im Adhäsionsverfahren. Denn die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der – wie hier – vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, beruhen nicht auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung i.S.d. §§ 302 Nr. 1, 174 Abs. 1 InsO (BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854; BGH, Beschl. v. 3.12.2013 – 4 StR 471/13, juris). Ein Feststellungsantrag darauf, dass der Anspruch auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht, hätte deshalb keine Erfolgsaussicht.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 12/2014, S. 713