VVG § 23 Abs. 1 § 26 Abs. 1
Leitsatz
Leistungsfreiheit des VR nach § 26 Abs. 1 S. 1 VVG wegen vorsätzlicher Gefahrerhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG setzt das Bewusstsein des VN von der gefahrerhöhenden Eigenschaft der von ihm vorgenommenen Handlung voraus. Ein zum Leistungsausschluss führender Vorsatz des VN ergibt sich nicht allein aus der Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände.
BGH, Urt. v. 10.9.2014 – IV ZR 322/13
Sachverhalt
Zwischen den Parteien besteht eine Versicherung für eine auf einer dem Kl. gehörenden Scheune installierte Photovoltaikanlage. Am 22.12.2009 stellte der Kl. gegen 10.00 Uhr einen Schlepper in der Scheune ab, in der unter anderem Heu und Stroh gelagert wurden. Gegen 17.30 Uhr brach in der Scheune ein Brand aus. Dies führte zu deren Zerstörung einschließlich der auf dem Dach befindlichen Photovoltaikanlage. Die Brandursache konnte nicht festgestellt werden. Am 23.12.2009 erstattete der Kl. eine Schadenanzeige. Die Bekl. erklärte mit Schreiben vom 22.6.2010 den Rücktritt vom Vertrag und am 1.12.2010 dessen Anfechtung. Hierzu stützte sie sich darauf, der Kl. habe in seinem Versicherungsantrag angegeben, dass in dem Gebäude keine feuergefährlichen Materialien, z.B. Heu oder Stroh, gelagert würden. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG die Berufung im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kl. mit seiner zugelassenen Revision.
2 Aus den Gründen:
[3] "… Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das BG."
[4] I. Das BG hat ausgeführt, die Bekl. sei wegen einer vom Kl. vorsätzlich vorgenommenen Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 1 VVG leistungsfrei. Er habe durch das Abstellen des Schleppers ohne abgeklemmte Batterie in einer Scheune, in der auch leicht entzündliche Stoffe (Heu und Stroh) gelagert würden, gegen § 18 Abs. 2 Nr. 3 der Bayerischen Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze (GaStellV) vom 30.11.1993 verstoßen. Das könne nicht mehr als mitversicherte normale Gefahrerhöhung angesehen werden. Es handele sich um eine willentliche Herbeiführung einer Gefahrerhöhung durch den VN. Der Kl. habe den Schlepper vorsätzlich, damit in Kenntnis eines gefahrerhöhenden Umstandes, am 22.12.2009 gegen 10.00 Uhr in der Scheune abgestellt und ihn dort bis zum Nachmittag desselben Tages belassen. Das Abstellen eines Schleppers für mehrere Stunden in einer Scheune, in der auch leicht entzündliche Stoffe gelagert würden, stelle jedenfalls dann einen Gefahrenzustand dar, der die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs sein könne, wenn dies mehrfach geschehe, was den eigenen Ausführungen des Kl. zu entnehmen sei. Dieser habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis i.S.v. § 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG geführt.
[5] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung mit der gegebenen Begründung nicht stand.
[6] 1. Der Entscheidung des BG liegt ein fehlerhaftes Verständnis des Begriffs des Vorsatzes in § 26 Abs. 1 S. 1 VVG in Abgrenzung zum Begriff der willentlichen (subjektiven) Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 1 VVG zugrunde.
[7] a) Gem. § 23 Abs. 1 VVG darf der VN nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des VR keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Für eine willentliche Gefahrerhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG muss der VN Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände haben, während eine Kenntnis des gefahrerhöhenden Charakters oder gar eine zutreffende rechtliche Einordnung nicht erforderlich ist (Senat VersR 1982, 793, 794; BGHZ 50, 385, 387 f. … ). Diese Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände hatte der Kl. Er wusste, dass er den Schlepper in die Scheune stellte und dass sich in dieser zumindest noch Reste von Heu und Stroh aus der früheren Nutzung befanden.
[8] b) Unzutreffend ist das BG auf dieser Grundlage allerdings von einer vorsätzlichen willkürlichen Gefahrerhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG mit der Folge der vollständigen Leistungsfreiheit der Bekl. gem. § 26 Abs. 1 S. 1 VVG ausgegangen.
[9] aa) Das BG hat in seinem Hinweisbeschluss vom 17.6.2013 keine hinreichende Trennung der Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 VVG vorgenommen. Es hat darauf abgestellt, der Kl. habe den Schlepper unstreitig vorsätzlich, damit in Kenntnis eines gefahrerhöhenden Umstandes, in die Scheune gestellt und ihn dort belassen. Das Bewusstsein, dass er dadurch gegen § 18 Abs. 2 Nr. 3 der GaStellV verstoßen habe, sei für die Annahme einer willentlichen Gefahrerhöhung nicht erforderlich. Gem. § 18 Abs. 2 Nr. 3 dieser Verordnung dürfen Kfz in sonstigen Räumen, die keine Garagen sind, nur abgestellt werden, wenn diese Räume keine Zündquellen oder leicht entzündliche Stoffe enthalten. Auch im Zurückweisungsbeschluss vom 1.8.2013 hat es das BG für Vorsatz ausreichen lassen, dass der Kl. die Gefahrerhöhung selbst, also das Einstellen des Schleppers in die Scheune, vorgenommen habe.
[10] bb) Dieser Auffassung liegt ein grundsätzliches Missverständnis des Verhältnisses von § 23 Abs. 1 und § 26 ...