Eine lehrreiche Entscheidung zur exakten Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen. Nur bei eindeutig festgestellter Kausalität zwischen Alkoholisierung und Gefährdung ohne daneben verbleibenden vernünftigen Zweifeln kann von einer Strafbarkeit des § 315c StGB ausgegangen werden.
Die durch den BGH am Ende dezent mitgeteilte Handlungsanweisung dürfte dem LG sicher etwas Kopfzerbrechen bereiten. Denn die Wahlfeststellung ist schon während der juristischen Ausbildung eine hohe gedankliche Hürde, in der Praxis wird sie nicht einfacher handhabbar. Die Grundgedanken der Wahlfeststellung liegen dabei in der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der zur Auswahl stehenden Tatbestände. Unter Annahme einer suizidalen Fahrt könnte man einen Tötungs-, ggf. sogar Mordversuch (bei ausgeschaltetem Frontlicht z.B.) annehmen, dazu eine gefährliche Körperverletzung, vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, einen vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr in der Variante der absichtlichen Herbeiführung (Verweisung § 315b Abs. 3 auf § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) sowie eine Sachbeschädigung. Dem gegenüber stehen die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung und die tateinheitlich begangene fahrlässige Körperverletzung.
Wenn man diese Delikte gegenüberstellt und vergleicht, wird man im Rahmen der Subsumtion feststellen können, dass vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung bzw. der absichtliche Eingriff und die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination psychologisch zunächst nicht vergleichbar sind, das schwächere Delikt aber denklogisch im schwereren Delikt enthalten sein muss, also ein Stufenverhältnis besteht. Das LG könnte den Angekl. also, sofern der Suizidversuch weiterhin unaufgeklärt bleibt, auf alternativer Tatsachengrundlage wegen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr oder vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, je tateinheitlich verwirklicht mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilen. Insoweit erachte ich die Schlussfolgerung von Piel (in NStZ 2014, 88), die die Vergleichbarkeit von §§ 315b und 315c StGB verneint und eine Anwendung des Zweifelsgrundsatzes befürwortet, für angreifbar.
Natürlich könnte der Verteidiger darauf hoffen, dass das Gericht in Verkennung dieser Möglichkeit eine Lösung im Zweifelsgrundsatz sucht und freispricht. Wenn aber der dezente Hinweis des BGH schon im Raum steht, dürfte die Chance jedenfalls hier gering sein.
Im Zusammenhang mit der Problematik dieses Falles sei noch auf weitere Entscheidungen zur Kausalität hingewiesen: Befand sich der Angekl. nach den Urteilsfeststellungen im Tatzeitpunkt auf der Flucht vor der Polizei, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass seine Fahrweise Folge seiner Betäubungsmittelintoxikation und nicht etwa der fluchtbedingt unangepassten Geschwindigkeit war (BGH, Beschl. v. 11.2.2014 – 4 StR 520/13, juris). Und: Rammt ein Täter, der zuvor die Anhaltezeichen der Polizei missachtet hat, um eine Entdeckung seiner Drogengeschäfte zu verhindern, ein vor ihm fahrendes Polizeifahrzeug, so müssen diese Feststellungen, wie es für den Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB erforderlich ist, ergeben, dass das Fahrverhalten des Täters gerade auf einer rauschmittelbedingten Leistungsminderung beruht und nicht auf dem Bemühen, einem verfolgenden Streifenwagen zu entkommen (BGH, Beschl. v. 24.9.2013 – 4 StR 324/13, juris). Hier kann sich das Gericht jeweils argumentativ noch dadurch retten, dass die Gefährdung auch auf der Alkoholisierung beruht, indem festgestellt wird, dass der Angekl. alkoholisch/suchtmittelbedingt enthemmt war und deshalb seine Fahrweise nicht so beschaffen war, dass er den Unfall verhindern konnte.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 12/2014, S. 715 - 717