VVG § 159; BGB § 133; ALB 1986 § 13
Leitsatz
Die Erklärung des VN gegenüber dem VR, im Falle seines Todes solle "der verwitwete Ehegatte" Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des VN regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem VN zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll (Bestätigung Senatsurt. v. 14.2.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784).
BGH, Urt. v. 22.7.2015 – IV ZR 437/14
Sachverhalt
Die Kl. verlangt die Auszahlung der Versicherungsleistungen aus einer von ihrem verstorbenen Ehemann (fortan: Ehemann) bei der Bekl. gehaltenen Lebensversicherung. Der Ehemann der Kl. war in erster Ehe mit der Streithelferin der Bekl. verheiratet. Der Arbeitgeber des Ehemannes schloss 1987 bei der Rechtsvorgängerin der Bekl. (fortan: Bekl.) eine Lebensversicherung im Rahmen der betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach dem BetrAVG auf das Leben des Ehemannes als versicherter Person ab. VN war der Arbeitgeber. Der Versicherung lagen die ALB 1986 zugrunde.
Der Arbeitgeber bestimmte auf der von ihm für den Ehemann über die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung ausgestellten Urkunde, dass bezugsberechtigt für die Leistungen aus der Versicherung der Ehemann sei,
"mit der Maßgabe, dass im Todesfall Ihr Anspruch in nachstehender Rangfolge übergeht:"
a) auf Ihren verwitweten Ehegatten, … “
Das Arbeitsverhältnis des Ehemannes zu seinem Arbeitgeber endete zum 30.6.1997; der Arbeitgeber übertrug deshalb mit Wirkung zum 1.7.1997 die Lebensversicherung auf den Ehemann der Kl. als neuen VN. Dieser führte sie als beitragsfreie Versicherung weiter. Die Bekl. übersandte dem Ehemann bei dieser Gelegenheit einen Vordruck zu einer Begünstigungserklärung und forderte ihn auf, diese zu vervollständigen, zu datieren und unterschrieben zurückzusenden, "damit es im Leistungsfall nicht zu Unklarheiten kommt". Am 9.7.1997 kreuzte der Ehemann der Kl. auf folgendem Vordruck
"Für die Versicherung … gilt folgendes Bezugsrecht: Solange die versicherte Person lebt, der VN, nach dem Tode der versicherten Person"
( ) der verwitwete Ehegatte … “
die Variante "der verwitwete Ehegatte" an und sandte die Erklärung anschließend unterschrieben an die Bekl. zurück. Mit Schreiben v. 22.8.1997 bestätigte die Bekl. diese Bezugsrechtsbestimmung.
Am 16.4.2002 wurde die 1987 mit der Streithelferin der Bekl. geschlossene erste Ehe des Ehemannes der Kl. geschieden. Am 30.10.2002 heiratete er die Kl., mit der er bis zu seinem Tod verheiratet blieb. Am 20.1.2003 teilte ein Versicherungsvertreter der Bekl. mit, dass der Ehemann wissen möchte, wer die bezugsberechtigte Person ist. Die Bekl. antwortete dem Ehemann mit Schreiben v. 13.3.2003, dass er mit Erklärung vom 9.7.1997 "folgende Begünstigungen ausgesprochen" habe: "Ihre verwitwete Ehegattin. Die Begünstigung gilt für den Todesfall."
Der Ehemann verstarb am 18.4.2012. Die Bekl. zahlte die Versicherungssumme an die Streithelferin aus. Sie lehnte es ab, die Versicherungssumme an die Kl. auszuzahlen.
Deren Klage hat vor dem LG und OLG Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[9] "… Die Revision der Bekl. hat Erfolg. …"
[10] I. Das BG hat ausgeführt, wer in einem solchen Fall bezugsberechtigt sei, sei unter Berücksichtigung der Versicherungsbedingungen und der nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auszulegenden Erklärung zu entscheiden. Der im Streitfall verwendete Begriff “verwitwete Ehefrau‘ bezeichne definitionsgemäß die Person, deren Ehepartner während einer bestehenden Ehe verstirbt. Verwitwet könne daher nur die zum Zeitpunkt des Todes mit dem Ehemann verheiratete Kl. gewesen sein. Der Familienstand der Streithelferin laute hingegen “geschieden‘. Daher könne sie von den Versicherungsbedingungen nicht als bezugsberechtigt gemeint sein.
[11] Davon müsse auch der Ehemann der Kl. ausgegangen sein, weil er auf die Mitteilung der Bekl. vom März 2003 keinen Anlass gesehen habe, die Bezugsberechtigung zu ändern. Für die Bezugsberechtigung der Kl. spreche weiter, dass in der Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen der Streithelferin und dem Ehemann der Kl. die Lebensversicherung dem Ehemann zugeteilt worden sei.
[12] II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das BG misst dem Begriff “verwitweter Ehegatte‘ eine falsche Bedeutung zu und stellt bei seiner Auslegung zudem fälschlich auf Umstände ab, die erst nach der Bezugserklärung eingetreten sind.
[13] 1. Zwar nimmt das BG im Ausgangspunkt zutreffend an, dass es sich bei der Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den VN um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die erst wirksam wird, wenn sie dem VR zugeht (§ 166 Abs. 1 VVG a.F.; § 159 Abs. 1 VVG n.F.; Senat VersR 2013, 1121 Rn 10 m.w.N.). Wem der VN mit der Formulierung “der verwitwete Ehegatte‘ im Todesfall ein Bezugsrecht einräumt, ist wie auch das BG richtig sieht durch Auslegung der Willenserklärung des Verfügungsberechtigten zu ermitteln.
[14] 2. Die Auslegung bezieht sich aber – was das BG außer Acht läs...