ZPO § 286; AKB 2008 A.2.2.1.4
Leitsatz
1. Hat der VR durch einen Sachverständigen nach einem behaupteten Wildschaden Beweismittel (Tierhaare) sichergestellt, legt er sie aber im Rechtsstreit nicht vor, kann nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung allein auf der Grundlage des Vorbringens des VN vom Nachweis eines Wildschadens ausgegangen werden.
2. Voraussetzung einer Teilkaskoentschädigung aufgrund eines Wildschadens ist es nicht, dass die Kollision mit dem Wild unmittelbar den Schaden herbeigeführt hat; auch Schäden durch von der Kollision verursachte Lenkbewegungen sind gedeckt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG München, Urt. v. 24.7.2015 – 10 U 3566/14
Sachverhalt
Der Kl. macht gegen die Bekl. als Versicherung Ersatzansprüche aus einem Teilkaskoversicherungsvertrag im Zusammenhang mit einem Wildschaden geltend.
Der Kl. trägt vor, er sei mit seinem bei der Bekl. versicherten Pkw gegen 13.30 Uhr im Bereich des K-Bergs unterwegs gewesen. Unterhalb der sog. "Aussichtskurve" sei plötzlich von rechts ein Tier auf die Straße gelaufen, es sei zur Kollision mit dem klägerischen Pkw gekommen. Aufgrund der Kollision sei der Kl. mit seinem Pkw von der Straße abgekommen, gegen den Randstein und in der Folge gegen im rechten Fahrbahnbereich vorhandene FeIsblöcke geprallt. Nach dem Unfall fand der von der Bekl. hinzugezogene Sachverständige G in der Nähe der Unfallstelle einen toten Fuchs und entnahm eine Haarprobe. Der Kl. fand an seinem vorderen Kennzeichen ebenfalls Haarspuren, die zusammen mit der durch den Sachverständigen entnommenen Haarprobe an die Bekl. übersandte wurde.
2 Aus den Gründen:
" … I. Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Kl. auf Versicherungsleistungen bejaht."
Auf Grund der vom LG ordnungsgemäß durchgeführten Beweisaufnahme einschließlich der ergänzenden Anhörung des Kl. durch den Senat steht fest, dass die Schäden am klägerischen Fahrzeug infolge eines sog. Wildschadenunfalls entstanden sind. Die Bekl. haftet daher aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Teilkaskoversicherungsvertrag … , die Höhe des geltend gemachten Anspruchs war unstreitig.
1. Dem Erstgericht ist kein Fehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen. …
a) Entgegen der Rechtsauffassung der Bekl. durfte das LG davon ausgehen, dass es zu einer Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Tier (Fuchs), also einem Wildunfall als Teilkaskoschaden gekommen ist.
aa) § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO erfordert eine umfassende Würdigung aller Beweismittel und sonstigen Erkenntnisquellen in ihrer wechselseitigen Beziehung (sog. Gesamtschau), eine isolierte Würdigung der einzelnen Beweismomente genügt nicht. …
bb) Die Beweisvereitelung der Bekl. führt dazu, dass sich die Beweislast drehte und die Bekl. zu beweisen hatte, dass die vom Kl. vorgetragene und in seiner Anhörung (auch vor dem Senat) bestätigte Kollision mit einem Wild nicht erfolgte. Dieser Beweis ist der Bekl. nicht gelungen.
Nach der st. Rspr. des BGH liegt in Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 427, 441 Abs. 3 S. 3, 444, 446, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO und § 242 BGB eine Beweisvereitelung vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vorenthalten werden. Das Verschulden bezieht sich sowohl auf die Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (vgl. BGH NJW 2002, 825; 2006, 434, 436). Als Folge der Beweisvereitelung kommen in solchen Fällen Beweiserleichterungen in Betracht, die unter Umständen – wie hier – bis zur Umkehr der Beweislast gehen können …
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Hierzu ist im Wesentlichen auf die Aussage des Zeugen G, des von der Bekl. eingeschalteten Sachverständigen, Bezug zu nehmen, wonach Haarspuren eines im örtlichen Umfeld des behaupteten Unfalls aufgefundenen getöteten Fuchses (die Suche erfolgte auf Anraten des Sachverständigen) sowie Haarspuren vom Frontkennzeichen des klägerischen Fahrzeugs sichergestellt und diese Spuren an die Bekl. (nach Rücksprache mit dem Sachbearbeiter K) übersandt wurden. Eine Untersuchung der Haarspuren hätte zugunsten des Kl. ergeben können, dass die Haarspuren am Kennzeichen nicht von Hand aufgetragen wurden und diese Haare mit den Fuchshaaren übereinstimmen. In einem derartigen Fall hätte mit der ausreichenden Gewissheit gem. § 286 Abs. 1 ZPO festgestellt werden können, dass der vom Kl. behauptete Wildunfall, also zumindest die Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit dem später verendeten Fuchs tatsächlich stattgefunden hat. Diese mögliche Beweisführung des Kl. hat die Bekl. mit der Reinigung des Kennzeichens und der Zurückhaltung der Fuchshaare unmöglich gemacht. Das auch noch in der Berufungsinstanz tradierte Bestreiten einer Kollision des Klägerfahrzeugs mit einem Wild ist daher aus dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung u...