StVO § 4
Leitsatz
1. Tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 24 StVG handelt bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet.
2. Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.
OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 3 RBs 264/14
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt.
Zum Tatgeschehen hat das AG festgestellt, dass der Betr. als Führer des Pkw auf der BAB bei Kilometer 337,500 den erforderlichen Abstand von mindestens 62 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht einhielt. Der Betr. fuhr zur Tatzeit eine toleranzbereinigte Geschwindigkeit von 124 km/h. Der Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann betrug 17 m. Das AG hat weiter festgestellt, dass von anderen Verkehrsteilnehmern veranlasste Gründe für die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zu dem vor dem Betr. fahrenden Kfz nicht ersichtlich waren. Nach dem in Augenschein genommenen Videofilm sei das dem Betr. unmittelbar vorausfahrende Fahrzeug auf der dort erkennbaren Strecke der BAB von insgesamt mindestens 500 m nicht vor dem Betr. eingeschert. Auf dem Videofilm sei das Fahrzeug des Betr. vom Beginn der Videoaufzeichnung bis kurz vor Beginn der Messung nicht zu sehen. Erst unmittelbar vor Beginn der Messung (etwa 100 m vorher) trete das Fahrzeug des Betr. hinter dem vorausfahrenden größeren Fahrzeug erkennbar hervor. Da auf dem Videofilm ebenfalls zu sehen sei, dass das Fahrzeug des Betr. zu keiner Zeit der Aufzeichnung des Beobachtungsbereichs hinter das vorausfahrende Fahrzeug eingeschert sei, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich von Beginn der Aufzeichnung an hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug befunden habe. Eine Verlangsamung des vor dem Betr. fahrenden Fahrzeugs sei nicht erfolgt.
Die Rechtsbeschwerde des Betr. stützt sich auf die Rspr. des OLG Hamm, wonach eine Abstandsunterschreitung nur dann mit einem Bußgeld geahndet werden könne, wenn diese über eine Strecke von mindestens 140 m Fahrtstrecke feststellbar sei. Darüber hinaus sei nach der Rspr. des OLG Hamm für einen nicht nur vorübergehenden Abstandsverstoß ein Zeitraum von mehr als drei Sekunden erforderlich. Unter Zugrundelegung der von dem Betr. gefahrenen Geschwindigkeit von 124 km/h habe dieser aber pro Sekunde 34,5 m zurückgelegt, so dass unter Berücksichtigung der von dem AG festgestellten Beobachtungsstrecke von ca. 100 m der Betr. lediglich über einen Zeitraum von 2,89 Sekunden den Abstand zum Vordermann unterschritten habe.
Nach Übertragung auf einen Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. hat das OLG Hamm die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. hat in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat den Betr. zu Recht wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes, Ordnungswidrigkeit gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO; § 24 StVG i.V.m.. Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV Ziffer 12.6, Tabelle 2 Buchstabe b) Ziffer 12.6.3 zu einer Geldbuße von 160 EUR und dem dort vorgesehenen Regelfahrverbot von einem Monat Dauer verurteilt. Das AG hat insbesondere rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Betr. bei einer Geschwindigkeit von 124 km/h den gebotenen Sicherheitsabstand von mindestens 62 m nicht eingehalten hatte, der Abstand bei dieser Geschwindigkeit vielmehr weniger als 3/10 des halben Tachowertes, nämlich nur 17 m, betrug."
Weitergehende Feststellungen zu einer nicht nur vorübergehenden Dauer der Abstandsunterschreitung waren hier dagegen nicht erforderlich.
Tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO handelt nämlich bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet (so bereits OLG Koblenz, Beschl. v. 13.5.2002 – 1 SS 75/02, (juris); bestätigt durch OLG Koblenz, Beschl. v. 10.7.2007 – 1 SS 197/07 (juris)).
Die von der Rechtsbeschwerde angenommene Beschränkung des Tatbestandes der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung auf solche Fälle, in denen die Abstandsunterschreitung nicht ganz vorübergehend ist, kann dem Gesetz dagegen nicht entnommen werden. Wie sich unschwer bereits aus dem Wortlaut der §§ 4 Abs. 1 StVO, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO ergibt, ist d...