StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 11 Abs. 5, Abs. 6 § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2 § 46 § 47 Abs. 1; FeV Anlage 4 Nr. 9.1 Anlage 4a Nr. 1a S. 2; VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 5 S. 1 und 4
Leitsatz
1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 S. 1 FeV ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat.
2. Ist beim Erlass des Entziehungsbescheids die "verfahrensrechtliche Einjahresfrist" abgelaufen, so ist der Rückschluss auf die Ungeeignetheit der ASt. nicht mehr ohne Weiteres zulässig. Diese Frist beginnt grds. mit dem Tag, den der Betr. als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen. Die bloße Behauptung der Drogenabstinenz genügt jedoch regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen.
3. Ein vorgelegtes Gutachten ist nicht verwertbar, wenn es sich entgegen § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 1 Buchst. a S. 2 der Anlage 4a zur FeV nicht genau an die von der Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung hält.
4. Der Senat hält nicht weiter an der Auffassung fest, dass die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nach § 47 Abs. 1 S. 1 und 2 FeV gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO durch Bundesgesetz vorgeschrieben ist und deshalb die Anordnung des Sofortvollzugs diesbezüglich ins Leere geht. Bei der FeV handelt es sich nämlich nicht um ein formelles Gesetz i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447
Sachverhalt
Die im Jahr 1991 geborene ASt. wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S. Sie hatte bis Januar 2014 Cannabis und Amfetamine konsumiert. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 5.4.2014 waren Cannabis und "harte" Drogen gefunden worden. Im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung im Februar 2015 zum Konsumverhalten gab sie an, seit Januar 2014 "clean" zu sein, keine Drogen mehr zu nehmen und sich seit April 2013 regelmäßig in Beratung beim Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie L. zu befinden. In den beiden Urinproben v. 13.1.2015 und 3.2.2015 seien keine Drogenrückstände gefunden worden.
Mit Bescheid v. 21.4.2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde der ASt. die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Ablieferung des Führerscheins innerhalb einer Woche (Nr. 2 und 4) sowie die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3). Das ärztliche Gutachten sei anzuordnen gewesen und negativ ausgefallen. Die Drogenproblematik sei nicht überwunden, es fehlten Nachweise zur Abstinenz und zu einer Verhaltensänderung. Den hiergegen gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das VG abgelehnt.
In ihrer Beschwerde gegen den Beschl. des VG macht die ASt. geltend, sie sei zu keinem Zeitpunkt unter Drogeneinfluss mit einem Kfz gefahren. Zwischen dem Betäubungsmittelfund am 5.4.2014 und der Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid v. 21.4.2015 sei ein Jahr verstrichen, in dem sie unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen habe. Die Sicherheit des Straßenverkehrs könne auch durch die Vorlage weiterer Laborwerte gewährleistet werden. Sie unterziehe sich freiwillig regelmäßigen Drogenuntersuchungen. Sie legte einen weiteren Untersuchungsbericht v. 5.5.2015 vor, wonach keine Betäubungsmittelrückstände in ihrem Urin gefunden wurden und teilte mit, dass sie sich beim Landratsamt L./Gesundheitsamt in einem Drogenkontrollprogramm befinde.
Der BayVGH hat mit folgendem Beschluss entschieden:
I. Der Beschluss des VG Regensburg v. 12.6.2015 – RN 8 S 15.637 – wird in Nr. II aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage der ASt. gegen Nr. 1 und 2 des Bescheids des AG v. 21.4.2015 unter folgender Auflage wiederhergestellt:
Die ASt.
1. führt das beim Landratsamt L./Gesundheitsamt begonnene Drogenkontrollprogramm ordnungsgemäß fort und
2. legt der Fahrerlaubnisbehörde unaufgefordert und jeweils binnen einer Woche nach Erhalt die Untersuchungsberichte über die durchgeführten Urinproben vor.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. …
2 Aus den Gründen:
[11] "… II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der VGH gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO das form- und fristgerechte Beschwerdevorbringen berücksichtigt, ist mit der Maßgabe begründet, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Nummern 1 und 2 des Bescheids v. 21.4.2015 mit Auflagen i.S.v. § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO zu verbinden war."
[12] Die Auslegung der Beschwerdebegründung ergibt, dass sich die Beschwerde nicht gegen die Androhung eines Zwangsgelds in Nr. 4 des Bescheids v. 21.4.2015 richtet, da die ASt. der Verpflichtung zur Abgabe ihres Führerscheins fristgerecht nachgekommen ist und schon das VG darauf hingewiesen hat, dass...