1. Der Senat ist mit Recht davon ausgegangen, berechtigt und verpflichtet zu sein, die als "Ermessensentscheidung" des erstinstanzlichen Gerichts anzusehende Schmerzensgeldbemessung zu überprüfen und ggf. abzuändern. Die grundsätzliche Unüberprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen der Tatgerichte durch das Revisionsgericht (vgl. BGH MDR 1982, 653; BGH NJW 1998, 2741, 2742), die aus dem grds. Fehlen einer "Rechtsverletzung" i.S.d. § 546 ZPO abgeleitet wird, gilt allerdings nicht ganz ausnahmslos. Immerhin hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob der Tatrichter zu Unrecht das Vorliegen einer Ermessensentscheidung angenommen hat, ob er Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob er die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten hat und alle wesentlichen Umstände bei der Ausübung des Ermessens Berücksichtigung gefunden haben (vgl. BGH NJW 1990,1721; BGH NJW 1992, 171; Heßler, in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 546 Rn 14). Praxisrelevant ist der vom BGH eingenommene Standpunkt, dass das von dem Tatrichter bestimmte Abweichen von Regelwerten der Schmerzensgeldbemessung eingehend zu begründen ist, um das Vorliegen eines Ermessensfehlers auszuschließen (vgl. BGH VersR 1986, 59).
Eine ähnliche Beschränkung der Überprüfungsbefugnis der Ermessensentscheidung wird für das Verhältnis des Berufungsgerichts zu dem erstinstanzlichen Gericht nunmehr verneint; auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das BG die erstinstanzliche Schmerzensgeldentscheidung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie das BG überzeugt. Eine Beschränkung darauf, ob die Ermessensausübung der Vorinstanz fehlerhaft war, besteht nicht (vgl. BGH NJW 2006, 1589, 1592; OLG Brandenburg VersR 2005, 953, 954; OLG Köln VersR 2008, 364, 365). Da auch der Berufungsrichter Tatrichter ist, greift er bei einer Überprüfung der Ermessensentscheidung des erstinstanzlichen Richters nicht in das tatricherliche Ermessen ein, sondern beseitigt die Rechtsverletzung des erstinstanzlichen Richters entsprechend der ihm durch § 513 ZPO zugewiesenen Aufgabe.
2. Bei der Überprüfung der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe konnte das BG von den unstreitigen Verletzungen des Kl. ausgehen und nach einer zusammenfassenden Darstellung der Grundsätze der Schmerzensgeldbemessung (Rn 40–42) auf zwei ständig erörterte Umstände der Schmerzensgeldbemessung, den Einfluss groben Verschuldens und des regulierungsverzögernden Verhaltens der Haftpflichtversicherung des Schädigers, eingehen.
a) Geringere Probleme wirft die Frage auf, ob bei Verschuldenshaftung des Schädigers dessen etwaiges grobes Verschulden ein gegenüber dem "Normalfall" höheres Schmerzensgeld rechtfertigt. In der Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats v. 8.7.1955 zur Bemessung des Schmerzensgeldes hatte der BGH als Ziel des Bemessungsvorgangs hervorgehoben, dass das Schmerzensgeld der Billigkeit entsprechen müsse und hieraus abgeleitet, dass Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu Ungunsten des Schädigers zu berücksichtigen seien (BGH NJW 1955, 1675). Da bei Straßenverkehrsunfällen im Allgemeinen die Genugtuungsfunktion als Moment der Billigkeit des Bemessungsvorgangs keine große Rolle spielt, ja oft zu vernachlässigen ist, steht vielmehr die Ausgleichsfunktion im Vordergrund (vgl. Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn 1548 und 86). Dies schließt nicht aus, dass bei Unfällen, in denen das vorsätzliche und das grob fahrlässige Verhalten des Schädigers das Gepräge gibt, auch die Schuldform des Verhaltens des Schädigers schmerzensgeldsteigernd zu berücksichtigen ist (vgl. BGH VersR 1996, 382; vgl. auch BT-Drs, 14/ 7752, 15; Jaeger/Luckey, a.a.O.).
b) Problematischer ist die Frage der Berücksichtigung einer lang dauernden, bei der Beurteilung durch das Gericht als verzögerlich angesehenen Regulierung. Schon die Bestimmung des Tatbestandes einer verzögerlichen Regulierung bereitet Schwierigkeiten. Dem reichhaltigen Rechtsprechnungsmaterial lassen sich als Fallgruppen die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht durch die – nicht – regulierende Haftpflichtversicherung, die Herabwürdigung des Verletzten und die Nichtberücksichtigung einer existenzbedrohenden Situation des Geschädigten feststellen (vgl. Jaeger/Luckey, a.a.O., Rn 1013). Die lange Dauer der Regulierung lässt jedoch keinen sicheren Schluss auf eine Verzögerung zu. Hatte die Haftpflichtversicherung berechtigte, nachvollziehbare Zweifel an ihrer vollen oder teilweisen Eintrittspflicht, kann ihr das schon wegen des Justizgewährungsanspruchs nicht vorgeworfen werden (vgl. OLG Brandenburg zfs 2010, 141 m. Anm. Diehl). Eine verzögerte Regulierung liegt in diesem Falle nicht vor (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2011, 933). Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme eines zögerlichen Regulierungsverhaltens ist die Vertretbarkeit der Zurückhaltung bei der Regulierung. Evident sachwidriges Verzögerungsverhalten, das Gerichte häufig damit umschreiben, dass eine solche Verzögerung über eine verständliche Prozessführung hinausgehe (OLG Nürnb...