I. Die Entscheidung des KG
Das KG hat über einen fiktiven Sachverhalt entschieden. Der Pflichtverteidiger hatte die Akten nämlich nicht lediglich eingescannt, sondern die Scans wieder auf Papier ausgedruckt. Deshalb waren hier an sich die Voraussetzungen der Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG erfüllt, wenn die Fertigung der Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Strafsache geboten war. Dies hat das KG mit einem Halbsatz abgetan, der RA habe hierzu nichts vorgetragen. Dies überzeugt nicht. Es bedarf wohl keiner näheren Ausführungen dazu, dass einem (Pflicht-)Verteidiger in einem Strafverfahren, noch dazu in einem Strafverfahren wegen versuchten Mordes, eine Kopie der Gerichtsakten zur Verfügung stehen muss. Dabei muss hier nicht darauf eingegangen werden, ob dem Verteidiger auch dann ein Aktenausdruck zur Verfügung stehen muss, wenn er vom Gericht bereits einen Aktenauszug auf einer CD zur Verfügung gestellt bekommen hat. Denn hier lagen die Gerichtsakten nur in Papierform vor. Hätte RA H die einzelnen Seiten der Gerichtsakten auf seinen Kopierer gelegt und hiervon Fotokopien gezogen, dann wäre die hierdurch gem. Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG entstandene Dokumentenpauschale zumindest dem Grunde nach zur sachgemäßen Bearbeitung der Sache erforderlich gewesen.
Es kann jedoch keinen Unterschied machen, mit welchem technischen Mittel der RA Kopien aus den in Papierform geführten Gerichtsakten fertigt, zumal die Kopierer heutzutage häufig auch über eine Funktion zum Einscannen verfügen. Dem RA muss auch die Entscheidung überlassen bleiben, ob er mit der elektronischen Fassung der Gerichtsakten arbeiten will oder mit dem Aktenausdruck auf Papier. Dies muss jedenfalls für den hier vorliegenden Fall gelten, in dem durch den Umweg über das Einscannen keine höheren Auslagen entstanden sind als bei Direktkopien.
II. Einscannen von Akten
Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG entsprach es der ganz überwiegenden Auffassung in der Rspr. (vgl. OLG Bamberg RVGreport 2006, 354 (Burhoff) = AGS 2006, 432 = NJW 2006, 3504 = JurBüro 2006, 588; Bay.LSG RVGreport 2013, 153 (Hansens) = AGS 2013, 121; LG Dortmund RVGreport 2010, 108 (Burhoff) = zfs 2010, 103 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 125; LG Kleve RVGreport 2012, 31 (Burhoff) = AGS 2012, 64; LG Würzburg RVG-Letter 2006, 92; a.A. SG Dortmund AGS 2010, 3), dass die Dokumentenpauschale auch für das bloße Einscannen von Akten anfällt. Diese Auffassung wird man angesichts der Neuregelung und der vom KG zitierten Gesetzesmaterialien nicht mehr aufrechterhalten können.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 12/2015, S. 706 - 707