Die Entscheidung befasst sich mit der rechtlichen Bewältigung eines Skiunfalls, der am Anfang der Karriere eines Skiläufers steht: das Erlernen des Skilaufens in einem Skikurs. Aufgrund der Buchung der Unterrichtsstunde durch die Kl. schuldete der Bekl. als Betreiber der Skischule, die Teilnehmer an dem Skikurs vor Gefahren der Befahrung der Skipiste soweit als möglich zu bewahren (vgl. Dambeck, Piste und Recht, 1996, S. 55 m.w.N.). Die Entscheidung sieht eine Verletzung dieser Sorgfaltspflicht bereits darin, dass die erste Unterrichtsstunde auf einer blauen Piste stattfinden sollte. Von den drei Kategorien der Skipisten stellte eine blaue Skipiste die leichteste, geringe Schwierigkeitsanforderungen stellende Piste dar, im Gegensatz zu den roten und schwarzen Pisten mit steigenden Schwierigkeitsgraden. Die Inhalte der Schwierigkeitswerte sind in DIN 32912 aufgeführt.
Hinzu kommt, dass nach allgemeiner Ansicht die FIS-Regeln auch für Teilnehmer an einem Skikurs gelten, was sowohl für Skischüler untereinander wie auch gegenüber dem Skilehrer und Dritten gilt (Dambeck, a.a.O., S. 49). Die FIS-Regeln gelten für alle Skifahrer und regeln vor allem in den Regeln 3–5 die Konstellation bei einem Einfahren in die Piste und die Frage des Vorrangs bei einer drohenden Kollision des von hinten kommenden Skifahrers mit einem vorausfahrenden oder in den Hang einfahrenden Skifahrer. In den FIS-Regeln 3 und 4 wird bestimmt, dass der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen hat, dass er vor ihm Fahrende nicht gefährdet, und dass er nur mit einem Abstand überholen darf, die dem überholten Pistenbenutzer genügend Raum für alle seine Bewegungen lässt. Anders ist in der FIS-Regel 5 bestimmt, dass jeder Skifahrer und Snowboarder, der nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, sich nach oben und unten vergewissern muss, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Die Einhaltung dieser Pflicht, die aufgrund Gewohnheitsrechts gilt (vgl. OLG München SpuRt 1994, 35M; Dambeck, a.a.O. Rn 9; vgl. auch Heermann/Götze, NJW 2003, 3523; Wellner, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kapitel 14 Rn 193), setzte voraus, dass die Kl. in der Lage war, die Entfernung der sich von oben nähernden Skifahrer und deren Geschwindigkeit abzuschätzen, um gefahrlos in die Piste einzufahren. Dazu war sie nicht in der Lage, wie der Unfall zeigt. Vielmehr musste ihr diese Einschätzung der Skilehrer abnehmen, was bei der unstreitig stark befahrenen Piste und der beim Einfahren von der Skischülerin erreichbaren Geschwindigkeit zweifelhaft war. Damit überzeugt die Auffassung des LG, dass das unfallursächliche Verschulden des Skilehrers, das sich die Skischule nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, die Beurteilung der Schlechterfüllung des Dienstvertrages der Parteien wie der deliktischen Schadenszufügung trägt.
Obwohl auf die Geschehnisse auf der Piste die Regeln des Straßenverkehrs nicht übertragen werden können (vgl. Pichler, SpuRt 2005, 2), ist doch eine Parallele zu der Konstellation des Unfalls eines Fahrschülers zu ziehen. Zum Schutz des Fahrschülers vor unfallträchtigen Überforderungen im Straßenverkehr wird aus dem Ausbildungsvertrag abgeleitet, dass der Fahrlehrer den Fahrschüler ständig beobachten muss, insb. was die Fahrweise betrifft, um jederzeit zur Gefahrenabwehr eingreifen zu können (vgl. Weber, SVR 2009, 201 ff.; Pardey, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 823 Rn 25 ff.). Das ergibt sich aus der Garantenstellung des Fahrlehrers, der auf die Gegebenheiten der Erteilung des Fahrunterrichts und den Ausbildungsstand des Fahrschülers eingehen muss.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 12/2015, S. 681 - 683