BGB § 145; VVG § 5
Leitsatz
1. Übersendet der VR nach Gesprächen über einen Vertragsabschluss ein Formular, das alle wesentlichen Vertragsbestandteile dokumentiert und über der Unterschriftsleiste festhält, dass "diese und die abzugebenden Einwilligungserklärungen" Vertragsbestandteil werden, so handelt es sich um ein Vertragsangebot des VR, das mit der Unterzeichnung durch den VN angenommen wird.
2. Weist der VR in der Police nur allgemein und nicht konkret auf Abweichungen seiner Annahmeerklärung vom Antrag – durch Spezifizierung der Schadenfreiheitsklasse – hin, so gilt die im Antrag vom VN akzeptierte Schadenfreiheitsklasse als Vertragsbestandteil.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Seligenstadt, Urt. v. 23.6.2015 – 1 C 988/14
Sachverhalt
Der Kl. unterhält bei der Bekl. bereits seit dem Jahr 2010 eine Kfz Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Anlass für den Vertragsschluss und den Wechsel des Kl. zur Bekl. war seinerzeit eine Sonderaktion der Bekl., wonach diese das Zweitfahrzeug zu den gleichen Konditionen eines Erstfahrzeugs versicherte. Der Kl. versicherte daher sowohl sein Erstfahrzeug, als auch seinen A als Zweitfahrzeug bei der Bekl. Beide Fahrzeuge wurden dabei in die Schadensfreiheitskiasse (SFK) 23 eingruppiert und in der Folgezeit bis 2014 in dieser SFK geführt.
Im Jahr 2014 entschied sich der Kl., sein Zweitfahrzeug zu verkaufen und stattdessen einen L zu erwerben.
Im Anschluss an Gespräche mit Mitarbeitern der Bekl. übersandte diese dem Kl. im April 2014 ein mit "Kfz PREMIUM, Antrag auf eine Kfz Versicherung (AKB 2013)" überschriebenes Formular, in welchem sie die Angaben des Kl. zu dem zu versicherten neuen Fahrzeug von ihr bereits eingefügt waren. Unter der Überschrift "Mein Wunschangebot" war das Kfz von der Bekl. (weiterhin) in der SFK 23 eingruppiert, so dass ein jährlicher Gesamtbetrag i.H.v. 475,80 EUR ausgewiesen war. Unter der Überschrift "Unterschrift" heißt es dort: "Diese und die abzugebenden Einwilligungserklärungen sind Vertrags Bestandteil und werden mit geleisteter Unterschrift wirksam." Der Kl. vervollständigte das Formular und sandte es unterschrieben an die Kl. zurück.
Mit Schreiben v. 14.5.2014 bestätigte die Bekl. den Abschluss des Versicherungsvertrags. Gleichzeitig teilte sie dem Kl. mit, dass die Zweitwagen-Sondereinstufung mit Angleichung an die bessere SF-Klasse eines Erstvertrags nicht mehr möglich sei und der Vertrag daher in der SFK 5 fortgeführt würde. Der am gleichen Tag übersandte Versicherungsschein enthält den schwarz umrandeten Zusatz:
"Abweichung zum Antrag:"
SF
Klasse Haftpflicht Versicherung
Beitragssatz Haftpflicht Versicherung
Abweichungen gelten als genehmigt, wenn Sie als VN nicht innerhalb von einem Monat nach Empfang dieses Versicherungsscheins in Textform widersprechen.“
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Zwischen den Parteien Ist ein Versicherungsvertrag nach §§ 1 VVG, §§ 145 ff. BGB über den L des Kl. mit dem amtlichen Kennzeichen … mit dem Schadensfreiheitsrabatt der Schadensfreiheitskiasse 23 zustande gekommen, indem dieser das Formular der Bekl. unterschrieben an diese zurück gesandt hat."
Entgegen der Auffassung der Bekl. war dieses Formular aus der maßgeblichen objektiven Empfängersicht nicht lediglich als invitatio, sondern bereits als konkretes annahmefähiges Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrags zu verstehen. Dieses Angebot hat der Kl. durch seine Unterschrift am 25.4.2014 angenommen, so dass der Vertrag zu diesem Zeitpunkt wirksam zu den dort festgehaltenen Konditionen zustande gekommen ist. Dieses enthielt nämlich sämtliche wesentlichen Vertragsbestandteile, hierbei insb. die relevante Einstufung in die Typklasse 23 einschließlich des präzise sich hieraus ergebenden Jahresbeitrages. Auch die im Formular verwendete Passage “Diese und die abzugebenden Einwilligungserklärungen sind Vertragsbestandteil und werden mit geleisteter Unterschrift wirksam‘ lassen aus objektiver Empfängersicht allein den Schluss zu, dass der Vertrag wie dort ausgeführt, bereits mit geleisteter Unterschrift des Kl. wirksam zustande kommt. Ebenso lässt sich die weitere Passage oberhalb der Unterschrift, wonach “Einverständnis erklärt wird, dass der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt‘ objektiv allein so verstehen, dass der Vertrag nicht erst durch Übersendung des Versicherungsscheines, sondern bereits durch Unterschriftsleistung zustande kommt.
Doch selbst wenn man hierbei der Rechtsauffassung der Bekl. folgen würde, so bleibe es bei obigem Ergebnis: Auf die (nach dem Verständnis der Kl. vom Antrag des Kl.) abweichende Änderung der SFK im Versicherungsschein hat die Bekl. nicht durch einen auffälligen Hinweis i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 VVG hingewiesen, so dass der Vertrag nach § 5 Abs. 3 VVG als zu den Konditionen des Angebots und damit der SFK 23 geschlossen gilt.
Entgegen der Auffassung der Bekl. genügen deren Hinweise auf die Abweichungen in ihrem Versicherungsschein den Anforderungen des § 5 Abs. 2 VVG nicht. Zwar ist der Hinweis durch die Umrandung erfolg...