Die Entscheidung stellt in sehr übersichtlicher Form Standardprobleme des Kaufs von Kfz dar.
1. Bis zum Jahre 2005 wurde ein Fahrzeug mit Tageszulassung wegen der Voreintragung des Herstellers nicht mehr als fabrikneu und vor allem nicht als vertragsgemäß angesehen (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2001, 461; OLG Dresden NJW 1999, 1036; OLG Köln NZV 1999, 46; LG Saarbrücken DAR 1980, 19; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn 634). Grund für diese Einschätzung war es, dass die Voreintragung des Händlers den Wert des Kfz minderte, die Fristen für die etwaige Herstellergarantie und die AU sowie die damals noch regelmäßig vereinbarte Neupreisentschädigung verkürzt wurde (Reinking/Eggert, a.a.O.).
Der BGH rückte von dieser Einordnung ab und stellte auf die Funktion der Tageszulassung als besondere Form des Neuwagengeschäftes ab. Anders als bei einem Vorführwagen dient die Tageszulassung nicht der Ermöglichung der Nutzung, sondern fördere das Absatzinteresse beider Seiten. Der Händler komme durch die Steigerung der Abnahmemenge in den Genuss höherer Prämien, die er bei der Preisgestaltung dem Kunden weitergeben könne. Der Hersteller könne mit höheren Zulassungszahlen werben und der Kunde erhalte ein unbenutztes, damit fabrikneues Fahrzeug (vgl. BGH zfs 2005, 393). Da ein nicht behobener Schaden an Auspuffrohr und Tank vorlag, war schon deshalb ein Sachmangel gegeben.
2. Das Ende des Wahlrechtes des Käufers bei Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktritts gem. § 439 Abs. 1 BGB zwischen Nachbesserung und Nachlieferung wäre bereits mit der Wahl eines der beiden Rechtsbehelfe anzunehmen, wenn eine Wahlschuld vorläge. Ist dies zugrunde zu legen, könnte die einmal ausgeübte Wahl gem. §§ 262, 263 BGB nicht mehr geändert werden (so Jauernig/Berger, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 439 Rn 17). Das Vorliegen einer Wahlschuld, bei der schon die erstmalige Wahl zum Wegfall der Möglichkeit der Wahl des anderen Anspruchs führt, ist jedoch zu verneinen. Vielmehr stehen die Ansprüche in elektiver Konkurrenz, die es dem Käufer erlaubt, auf den zunächst nicht gewählten Anspruch überzugehen (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2006, § 439 Rn 7; Looschelders, JA 2007, 161, 165). Schutzwürdig ist der Gegner des Ausübungsberechtigten erst zu den in der Entscheidung genannten Zeitpunkten: Erst dann ist der Übergang auf einen nunmehr gewählten Rechtsbehelf nicht mehr möglich.
Da der Kl. sein Wahlrecht nicht ausgeübt hatte, durfte er sein Wahlrecht durch Forderung der Nachlieferung ausüben.
3. Obwohl beim Neuwagenkauf ein Stückkauf vorliegt, ist bei einer Mangelhaftigkeit der ursprünglichen Kaufsache eine Nachlieferung möglich (vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 2005, 1220; Ball, NZV 2004, 217, 220; Gsell, JuS 2007, 97). Obwohl beim Stückkauf nur eine bestimmte Sache, das konkrete Fahrzeug, geschuldet sei, führt dessen Mangelhaftigkeit nicht dazu, dass die Nachlieferung unmöglich ist (vgl. §§ 439 Abs. 3, 275 BGB). Die Auslegung des Willens der Parteien ergibt die stillschweigende Vereinbarung, dass bei gleichartiger und gleichwertiger Ersatzmöglichkeit aus der "Gattung" der Neuwagen ein vergleichbares Fahrzeug nachgeliefert wird (vgl. auch BGH NJW 2006, 2893). Damit wird das Neufahrzeug wirtschaftlich wie eine vertretbare Sache behandelt (vgl. auch Oechsler, NJW 2004, 1825, 1829; zum Nachlieferungsanspruch beim Gebrauchtfahrzeug vgl. aber BGH NJW 2008, 517; Ball, a.a.O.).
4. Ein Ausschluss des Rechts des Verkäufers, sich wegen unverhältnismäßiger Kosten zu weigern, der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung im Wege der Nachlieferung oder Nachbesserung zu entsprechen, wird spätestens dann nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn die Frist zur Nacherfüllung abgelaufen ist. Sind die Sekundäransprüche des Käufers wie das Rücktrittsrecht und die Minderung entstanden, hat er eine neue gesicherte Rechtsstellung erreicht, die jetzt nicht mehr durch einen Rückgriff auf eine überholte Rechtsposition – die Nacherfüllungsphase als Recht der zweiten Andienung – rückgängig gemacht werden darf (vgl. OLG Celle NJW-RR 2007, 353; Reinking/Eggert, a.a.O., Rn 801). Aufleben kann die Einrede, wenn die Nachbesserung misslingt und Nachlieferung verlangt wird (LG Hagen DAR 2012, 23). Zur geringen Bedeutung des § 439 Abs. 3 BGB beim Autokauf vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rn 803–808.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 12/2016, S. 688 - 691