VVG § 50
Leitsatz
Die Höhe der dem VR für die Dauer der Gewährung vorläufiger Deckung bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrags zustehenden Prämie muss er anhand der kalkulationsrelevanten Daten zu ermitteln versuchen. Eine pauschale Veranschlagung in Höhe eines Vielfachen des Beitrags für eine Hauptversicherung ist unwirksam.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Bernkastel-Kues, Urt. v. 11.3.2016 – 4a C 372/15
Sachverhalt
Die Kl. hatte dem Bekl. für einen Traktor vorläufige Deckung gewährt. Nach den von ihr verwendeten AKB des Hauptvertrags schuldete der Bekl. bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrags für jeden Tag der Laufzeit der vorläufigen Deckung 20 EUR. Auf dieser Grundlage verlangt die Kl. für 245 Tage 4.900 EUR als Prämie.
2 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat als VR gegen den Bekl. als VN einen Anspruch auf Zahlung von 99,31 EUR aufgrund Gewährung Versicherungsschutzes im Rahmen einer vorläufigen Deckung für den Zeitraum 11.12.2013 bis 16.8.2014 aus §§ 49, 50 VVG."
Nach § 50 VVG hat VR für die vorläufige Deckung bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrags lediglich einen Anspruch auf die Prämie, die für den Hauptvertrag zu zahlen gewesen wäre. Zwar ist § 50 VVG vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung zum Nachteil des VN abdingbar. Die abweichende Prämienhöhe kann in AVB getroffen werden (Prölss/Martin, § 50 VVG Rn 7).
Nach Ziff. B.2.8 i.V.m. C.6.4 AKB hätte der Bekl. für jeden Tag der Laufzeit einen Beitrag von 20 EUR zu zahlen, mithin für 245 Tage den Klagebetrag von 4.900 EUR. Ungeachtet dessen, dass nicht vorgetragen ist, wie die als privatrechtliches Vertragsrecht und AGB nach §§ 305 ff. BGB zu beurteilenden AKB (Prölss/Martin, AKB 2008, Vorbem. Rn 1) überhaupt in das vorläufige Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen wurden, § 7 VVG, § 305 Abs. 2 BGB, wäre Voraussetzung, dass der VR den anteiligen Betrag wegen fehlender Angaben nicht nach seinem Tarif berechnen kann. Die Berechnung muss dem VR also unmöglich sein. Allein die Tatsache, dass die Angaben dem VR nicht vorliegen, reicht dazu nicht aus. Er muss sich nach Beendigung des vorläufigen Versicherungsschutzes im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bemühen, an die entsprechenden Daten des VN zu gelangen. Sonst läge es in der Hand der VR, jedes Mal, wenn ein Hauptvertrag nicht zustande kommt, durch Untätigkeit den Anspruch auf Zahlung einer Prämie auszulösen, die weit über dem liegt, was er bei Zugrundelegung der Daten verlangen könnte.
Angesichts der gesetzlichen Wertung des § 50 VVG, dass der VN lediglich den anteiligen Tarif des Hauptvertrags zahlen soll, kann eine zum Nachteil des VN abweichende Vereinbarung nach den AKB nur dann greifen, wenn dieser schuldhaft trotz entsprechender Bemühungen des VR entsprechende Angaben versäumt hat. Dies war hier nicht der Fall. Ungeachtet des seitens der Kl. nicht bewiesenen Zugangs des Aufforderungsschreibens v. 27.5.2014 und der Kündigung v. 30.7.2015, hat sie nicht einmal vorgetragen, den Bekl. nach Kündigung des vorläufigen Versicherungsschutzes aufgefordert zu haben, die notwendigen Angaben zur Berechnung der entsprechenden Prämie zu machen. Vielmehr hat sie den Bekl. mit Schreiben v. 9.9.2014 direkt zur Zahlung von 4.900 EUR aufgefordert und damit die Anforderungen ihrer eigenen AKB nicht erfüllt.
Zudem hat der Bekl. nach erstmaliger Aufforderung durch das Gericht mit Verfügung v. 23.12.2015 und Konkretisierung durch die Kl. am 4.1.2016 umgehend mit Schreiben v. 26.1.2016 die entsprechenden Angaben gemacht. Der Schadensfreiheitsrabatt ergibt sich hierbei aus dem beigefügten Versicherungsschein v. 6.9.2014. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Kl. auf Grundlage dessen nicht in der Lage sieht, den damaligen Beitrag zu berechnen.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen der von § 50 VVG abweichenden Prämienzahlungspflicht nach C.6.4 AKB die pro Tag angesetzte Höhe von 20 EUR bei weitem als überhöht erscheint, da diese um ca. das 50-fache über dem Betrag liegt, die der Bekl. bei einem entsprechenden Hauptvertrag zu zahlen hätte. Demnach dürften die AKB insoweit wegen unangemessener Benachteiligung des VN unwirksam sein, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es erscheint ausreichend und geboten, die Prämie für den vorläufigen Versicherungsschutz bei fehlender Mitwirkung des VN so festzusetzen, dass dieser wie ein Fahranfänger ohne schadensfreie Versicherungsjahre in die höchste Schadensfreiheitsklasse 0 mit 230 % eingestuft wird. Dieser Betrag läge hier unter Zugrundelegung des Beitrags der B. Versicherung (s.u.) bei 597 EUR (147,95 : 57 × 230) jährlich, mithin für den streitgegenständlichen Zeitraum bei ca. 400 EUR. Die Prämie wäre allerdings nicht auf Basis von 230 % zu zahlen, da die Klausel aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion insgesamt unwirksam sein dürfte.
Der Bekl. hat das streitgegenständliche Fahrzeug ab dem 16.8.2014 anderweitig bei der B. Versicherung mit der damaligen Schadensfreiheitsklasse SF 3 und dem Beitragssatz von 57 % zu einer jährlichen Prämie von 147,95 EUR versichert. S...