BGB § 249 Abs. 2
Leitsatz
Bei der fiktiven Abrechnung eines Schadens sind vom Geschädigten regelmäßig erzielte Rabatte der Reparaturwerkstatt zu berücksichtigen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Karlsruhe, Teilanerkenntnis- und Endurt. v. 28.6.2017 – 19 S 33/16
Sachverhalt
Die Kl. betreibt ein Leasingunternehmen, das im Bundesgebiet über einen Fuhrpark von mehreren tausend Fahrzeugen verfügt. Ein VN der Bekl. beschädigte ein Fahrzeug der Kl., das zum Unfallzeitpunkt weniger als drei Jahre alt war. Der von der Kl. beauftragte Gutachter legte die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zugrunde.
Die Kl. rechnete ihren Schaden fiktiv ab. Die Bekl. beglich nur einen Teil des geforderten Betrages und zog 35 % mit der Begründung ab, die Kl. erhalte für ihre Reparatur- und Wartungsarbeiten angesichts ihrer Flottengröße einen Flottenrabatt in dieser Höhe. Die Kl. habe hierzu Rahmenverträge geschlossen, die die automatisierte Gewährung einzelfallunabhängig sicherten. Die Kl. hat einen Abzug von Rabatten für unberechtigt gehalten, da bei einer fiktiven Abrechnung allein auf die objektiven Verhältnisse abzustellen sei, Besonderheiten des persönlichen Verhältnisses des Geschädigten keine Berücksichtigung zu finden hätten.
Mit der Klage hat die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung des noch offenstehenden Betrages ihrer Reparaturrechnung verfolgt.
Das AG hat einen Abzug in Höhe des Rabatts für unberechtigt gehalten. Im Berufungsverfahren hat das LG zur weiteren Aufklärung der Höhe des Rabatts das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der Kl. angeordnet und angekündigt, ihn nach § 141 ZPO anhören zu wollen. Die Kl. hat die Entbindung des Geschäftsführers von dem Erscheinen mit der Begründung verfolgt, der Geschäftsführer könne keine Angaben zu den Rabatten machen. Der Geschäftsführer der Kl. kam auch der erneuten Aufforderung zum persönlichen Erscheinen nicht nach.
Das LG ging in seiner Berufungsentscheidung von einer Kürzung der fiktiv geltend gemachten Reparaturkosten aus.
2 Aus den Gründen:
[23] "… Die von der Kl. geltend gemachten Reparaturkosten sind um 35 % zu kürzen."
[24] Zwar kann die Kl. ihren Schaden fiktiv unter Zugrundelegung der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen (hierzu 1.). Allerdings sind auch bei einer fiktiven Abrechnung gewährte Rabatte zu berücksichtigen (hierzu 2.). Im konkreten Fall ist von einem Abzug i.H.v. 35 % auszugehen (hierzu 3.).
[25] Im Einzelnen:
[26] 1. Die Kl. hat grds. im Wege der fiktiven Abrechnung einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt.
[27] Bei einem – wie im Streitfall – zum Unfallzeitpunkt weniger als drei Jahre alten Pkw darf die Geschädigte ohne Weiteres im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt geltend machen (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12, NJW 2013, 2817). Die Bekl. hat dies nicht in Zweifel gezogen.
[28] Daher sind im Ausgangspunkt die durch das Gutachten der Fa. CI Expert v. 1.7.2014 ausgewiesenen Kosten erstattungsfähig, da dieses gerade auf den Stundenverrechnungssätzen einer regionalen markengebundenen Fachwerkstatt am Besichtigungsort beruht.
[29] 2. Auch bei einer fiktiven Abrechnung eines Schadens sind jedoch vom Geschädigten regelmäßig erzielte Rabatte zu berücksichtigen.
[30] Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hiermit nimmt das Schadensrecht eine subjektbezogene Perspektive ein, indem es dem Schädiger auferlegt, den im konkreten Fall verursachten Schaden im Wege der sog. Naturalrestitution wieder herzustellen.
[31] Zwar ist gem. § 249 Abs. 2 BGB der Geschädigte zur sog. “fiktiven Abrechnung‘ befugt, da ihm ein Anspruch darauf eingeräumt wird, statt der Herstellung den “dazu‘ – also zur Herstellung – erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, ohne dass das Gesetz vorgibt, was der Geschädigte mit diesem Betrag macht. § 249 Abs. 2 BGB ist jedoch lediglich Ausdruck der dem Schädiger eingeräumten Dispositionsbefugnis über den erhaltenen Betrag. Der Ausgangspunkt, wonach die Schadensberechnung gem. § 249 Abs. 1 BGB subjektbezogen ist, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Der Geschädigte kann also nur verlangen, dass der Zustand vor dem Schadensereignis wieder hergestellt wird. Es ist daher auch das gem. § 249 Abs. 2 BGB erstattungsfähige Integritätsinteresse von den persönlichen Verhältnissen des Geschädigten abhängig. Daher ist nicht auf einen objektiven Durchschnittsaufwand abzustellen, sondern auf die Aufwendungen, die ein “verständiger und wirtschaftlich denkender Eigentümer in der besonderen Lage des Geschädigten für eine zumutbare Instandsetzung zu machen hätte.‘
[32] Diese subjektbezogene Schadensbemessung entspricht der st. Rspr.
[33] Bereits das Reichsgericht hat im Urt. v. 14.4.1917 (V 26/17; RGZ 90, 154, 156) ausgeführt, dass der gem. § 249 BGB maßgebliche “zu ersetzende Herstellungspreis nicht der im Verkehr übliche Preis...