OWiG § 19 Abs. 1 § 20 § 67 Abs. 2
Leitsatz
1. Eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen kann auch dann wirksam sein, wenn das AG statt von Tatmehrheit unrichtig von Tateinheit ausgegangen ist.
2. Ein Verstoß gegen die Sofortmeldepflicht aus § 28a Abs. 4 SGB IV und die Beschäftigung eines Ausländers ohne erforderlichen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 3 AufenthaltsG) stehen (jedenfalls) materiell-rechtlich zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit.
OLG Köln, Beschl. v. 21.6.2017 – 1 RBs 127/17
Sachverhalt
Durch Bußgeldbescheide des Hauptzollamts A. vom selben Tag sind gegen den Betr. wegen fahrlässiger Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers ohne zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitel sowie wegen leichtfertiger Nichtmeldung eines Beschäftigten vor Arbeitsaufnahme Geldbußen i.H.v. 7.500 EUR und 1.000 EUR verhängt worden. Seine hiergegen gerichteten Einsprüche hat der Betr. im Hauptverhandlungstermin vor dem AG auf die Rechtsfolgen beschränkt. Das AG hat den Betr. daraufhin wegen eines tateinheitlichen Verstoßes zu einer Geldbuße von 1.000 EUR verurteilt. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welche die Annahme von Tateinheit durch das Tatgericht rügt, hat das OLG Köln das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gem. §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt."
Die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen war – was der Senat auf die Sachrüge von Amts wegen zu überprüfen hat – wirksam. Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 67 Abs. 2 OWiG eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlichen Möglichen zu respektieren. Das Rechtsmittelgericht kann und darf daher regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird (BGHSt 47, 32 [38]). Wirksam ist die Beschränkung, wenn der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig geprüft und beurteilt werden kann, ohne dass eine Überprüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich ist, und wenn die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Ge samtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (BGHSt 47, 32 [35]; BGH NStZ-RR 2003, 18; OLG Köln, Urt. v. 24.5.2016 – III-1 RVs 83/16; OLG Rostock NZV 2002, 137). Hiervon ausgehend war die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen wirksam und ist von der Tatrichterin mit Recht so behandelt worden:
Die Feststellungen in den Bußgeldbescheiden lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der geahndeten Taten hinreichend erkennen und bieten so eine genügend sichere Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung (dazu vgl. OLG Hamm zfs 2000, 416; OLG Jena DAR 2001, 323; OLG Jena VRS 109, 60 [51]; KG NZV 2002, 466; OLG Zweibrücken VRS 118, 25 [26]).
Die Wirksamkeit der erklärten Beschränkung wird namentlich nicht dadurch infrage gestellt, dass – wie zu zeigen sein wird – das AG fälschlich von Tateinheit ausgegangen ist, wohingegen sich die Handlungen des Betr. bei zutreffender rechtlicher Betrachtung als tatmehrheitlich begangen darstellen. In Rspr. und Literatur ist anerkannt, dass eine fehlerhafte Subsumtion die Wirksamkeit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht in jedem Falle infrage stellt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 318 Rn 17a). Das gilt hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse namentlich für die unzutreffende Annahme von Tatmehrheit durch die Vorinstanz (OLG Köln, Beschl. v. 27.12.2005 – 83 Ss 72/05; BayObLG NStZ 1988, 570; OLG Naumburg StraFo 2012, 285; Graf-Eschelbach, StPO, 2. Aufl. 2012, § 318 Rn 18). Für die hier in Rede stehende umgekehrte Konstellation kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Bei unzutreffender Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse entstehen in dem Falle, dass aufgrund der erklärten Beschränkung der Schuldspruch in Rechtskraft erwächst, stets – auch im Strafverfahren – “Reibungen‘ (Formulierung von KK-OWiG-Ellbogen, 4. Aufl. 2014, § 67 Rn 60) zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite des Tenors. Diese sind hier nur deswegen besonders augenfällig, weil wegen einer tateinheitlichen Verurteilung nunmehr zwei Geldbußen zu verhängen sind (§ 20 OWiG). Das für sich genommen stellt aber keinen durchgreifenden Grund dar, der unzutreffenden Beurteilung der Konkurrenzfrage entscheidend andere Bedeutung beizumessen, als sonstigen Fehlern der Vorinstanz beim Schuldspruch (BayObLG a.a.O.), wenn – wie hier – auf der Grundlage der in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen eine Bußgeldbemessung möglich ist.
Gem. § 19 Abs. 1 OWiG ist auf eine einzige Geldbuße zu erkennen, w...