StVG § 21; FeV § 7 § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Leitsatz
1. Will ein Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis die Anerkennung versagen und ergibt sich – wie hier – der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. e) der 3. Führerscheinrichtlinie bzw. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV nicht bereits aus dem Führerscheindokument selbst, bedarf es stets der Einholung entsprechender unbestreitbarer Informationen beim Ausstellermitgliedstaat.
2. Dabei ist es ausreichend, wenn die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen auf einen solchen Verstoß lediglich hinweisen bzw. ein Indiz hierfür bieten. Die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen bildeten gleichsam lediglich den “Rahmen‘, innerhalb dem die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats alle Umstände eines vor ihnen anhängigen Verfahrens berücksichtigten dürften
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.8.2017 – 1 OLG 2 Ss 43/17
Sachverhalt
Das AG hat den Angekl. eines Vergehens des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf die Berufung des Angekl. hat das LG die Höhe des Tagessatzes ermäßigt und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen. Nach den Feststellungen des LG befuhr der Angekl. am 27.1.2014 mit einem Pkw die G-Straße in L. Dabei verfügte er lediglich über ein unter dem 7.5.2012 mit Geltung bis zum 7.5.2022 ausgestelltes tschechisches Führerscheindokument. Eine früher innegehabte deutsche Fahrerlaubnis für die Klasse B war ihm mit Urteil des AG Germersheim vom 13.2.2008 aufgrund einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden; eine zugleich angeordnete Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis war auf drei Monate festgesetzt. Das LG hat angenommen, dass die dem Angekl. in Tschechien erteilte Fahrerlaubnis ihn wegen eines Verstoßes gegen das sog. Wohnsitzerfordernis (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV) nicht zum Führen eines Kfz in Deutschland berechtigte, weshalb sich der Angekl. nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht habe. Gegen diese Würdigung wendet sich der Angekl. im Rahmen seiner Sachrüge. Die Revision des Angekl. hat das OLG Zweibrücken als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Schuld- und Rechtsfolgeausspruchs hat einen den Angekl. benachteiligenden Rechtsfehler nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das LG hat insb. ohne Rechtsfehler das Eintreten der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Heranziehung von aus dem Ausstellermitgliedsstaat herrührenden Informationen belegt. Danach berechtigte die in Tschechien unter dem 7.5.2012 erworbene Fahrerlaubnis den Angekl. nicht, in Deutschland ein erlaubnispflichtiges Kfz zu führen."
1. Das LG hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass nach Art. 2 Abs. 1 der hier anzuwendenden 3. Führerscheinrichtlinie (RL 2006/126/EG v. 20.12.2006; ebenso bereits die 2. Führerscheinrichtlinie – Art. 1 Abs. 2 der RL 91/439/EWG) in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnisse grds. anzuerkennen sind. Es ist nach der Rspr. des EuGH alleinige Sache des Ausstellermitgliedstaates zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, namentlich diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung (vgl. Art. 7 der 3. Führerscheinrichtlinie), eingehalten sind. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist generell als Nachweis dafür anzusehen, dass dessen Inhaber am Tag der Ausstellung die von der Richtlinie vorgesehenen (Mindest-)Voraussetzungen erfüllt hat (vgl. EuGH NJW 2010, 217; BVerwG, Urt. v. 30.5.2013 – 3 C 18/12, juris Rn 19 m.w.N. = BVerwGE 146, 377). Ausnahmen von der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung hat der EuGH im Hinblick auf die Nichteinhaltung des Wohnsitzerfordernisses lediglich dann für mit den europarechtlichen Bestimmungen vereinbar gehalten, wenn entweder aus dem Führerscheindokument selbst oder anhand von aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest steht, dass die von der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht eingehalten worden sind (vgl. EuGH NJW 2008, 2403; 2011, 3635 [noch zur 2. Führerscheinrichtlinie] sowie die weiteren Nachweise bei Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 43. Aufl., FeV § 28 Rn 26). Diese Rspr. hat der deutsche Normgeber im Rahmen des § 28 Abs. 4 Nr. 2 der FeV in der bis 18.1.2009 geltenden Fassung bzw. in § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV in der ab 19.1.2009 geltenden Fassung dahingehend umgesetzt, dass nach dieser Vorschrift die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV nicht gilt (u.a.) für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler i...