BGB § 195 § 199 § 203; VVG § 15

Leitsatz

Für den Abbruch von Verhandlungen über eine private Invaliditätsversicherung reicht es aus, dass der VR auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnisstandes eine Zahlung ablehnt. Nicht erforderlich ist es hierfür, dass er hierbei auch weitere Verhandlungen mit dem VN für die Zukunft kategorisch ausschließt.

OLG Dresden, Beschl. v. 4.7.2018 – 4 U 1836/17; Beschl. v. 24.8.2017 – 4 U 1836/17

Sachverhalt

Der Kl. erlitt am 1.10.2008 eine Verletzung am Kopf durch einen von einem Hochbett umstürzenden Holzbalken. Sie behauptet, dadurch zu 30 % invalide geworden zu sein. In den folgenden Jahren führte sie mehrere Rechtsstreitigkeiten wegen dieses Ereignisses gegen die BG, den Unfallverursacher und im Wege des Regresses gegen die sie ursprünglich vertretender Rechtsanwältin. Auch mit dem beklagten Unfallversicherer verhandelte sie bis in das Jahr 2010. Die Bekl. ließ sich auf eine Prüfung des Anspruchs unbeschadet einer von der Kl. nicht vorgelegten Invaliditätsfeststellung ein. Mit Schreiben vom 20.12.2011 brach sie indessen die Verhandlungen ab und verweigerte Invaliditätsleistungen mit der Begründung, eine "überwiegend kausale Beziehung des Unfallereignisses zu den geltend gemachten Schäden sei nicht erkennbar. Auf sich wiederholende Schreiben der Kl lehnte sie Leistungen weiterhin ab, stellte der Kl. aber anheim, durch Beibringung von belastbaren Gutachten die Meinung der Bekl. Zu erschüttern. Im Jahr 2017 erhob die Kl. dann Klage, die das LG wegen Verjährung abwies."

2 Aus den Gründen:

Beschl. v. 4.7.2018

"… 1. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist gem. Ziffer 14 der zwischen den Parteien vereinbarten AB 2008 § 199 Abs. 1 BGB und damit der 31.12.2008, wovon auch das LG ausgegangen ist und was die Kl. auch nicht in Zweifel zieht."

Allerdings war der Lauf der Verjährung gem. § 203 BGB wegen laufender Verhandlungen zwischen den Parteien über die Eintrittspflicht der Bekl. gehemmt, weil sich die Bekl. bis in das Jahr 2010 mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 4.2.2010 unbeschadet einer von der Kl. nicht vorgelegten Invaliditätsbescheinigung auf eine Prüfung des Anspruchs eingelassen hatte. Der Verhandlungsbegriff des § 203 ist weit auszulegen und entspricht hierbei im Kern dem des § 852 Abs. 2 BGB a.F. (MüKo-BGB/Grothe, § 203 Rn 5 m.w.N.). Verhandlungen zwischen den Parteien liegen danach solange vor, bis der Schuldner seine Einstandspflicht eindeutig abgelehnt hat. Solange der Schuldner signalisiert, er werde noch den Sachverhalt aufklären, um seine Einstandspflicht zu prüfen, ohne dass er zugleich eine Einstandsbereitschaft dem Grunde nach signalisiert, kann dies bereits für die Annahme von "Verhandlungen" genügen (vgl. für das alte Recht, BGH zfs 2001, 351). Verhandlungen schweben immer schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn eindeutig ein Ersatz abgelehnt wird (…).

Die zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen hat die Bekl. allerdings mit Schreiben vom 20.12.2011 abgebrochen, nachdem das von ihr eingeholte Gutachten des Dr. U. vom 16.11.2011 eine "überwiegend kausale Beziehung des Unfallereignisses" zu den geltend gemachten Schäden nicht ergeben hatte. Unter Bezug auf dieses Gutachten heißt es in dem Schreiben vom 20.12.2012 "Wir können keine Invaliditätsleistung zahlen". Diese Erklärung, verbunden mit dem Hinweis man könne "deshalb nicht anders entscheiden", ist eindeutig und lässt keinen Raum für weitere Verhandlungen. Einer ausdrücklichen Ablehnung, sich im weiteren Verlauf bei ggf. auch geänderter Sachlage auf eine erneute Prüfung einzulassen, bedurfte es nicht. Der Senat verkennt nicht, dass nach einer in Rspr und Lit vertretenen Auffassung eine Ablehnung weiterer Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB an ein "doppeltes Nein" geknüpft wird (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 203 Rn 4; OLG Oldenburg VersR 2007, 1277). Erforderlich soll hiernach nicht nur die eindeutige und endgültige Leistungsablehnung sein, sondern zusätzlich ein eindeutiges und endgültiges Ablehnen weiterer Verhandlungen. Auch wenn man sich dieser Auffassung anschließt, ist es indes nicht geboten, dass der VR weitere Verhandlungen ausdrücklich ablehnt, seine Erklärungen sind vielmehr im Gesamtkontext zu würdigen und auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Erst recht kann zumindest für das Versicherungsrecht nicht gefordert werden, dass der VR Verhandlungen nicht nur auf der Grundlage seines aktuellen Erkenntnisstandes, sondern unabhängig von weiteren Entwicklungen in der Zukunft kategorisch ausschließt. Nähme man dies an, so wäre dem VR ein Abbruch der Verhandlungen wegen des das Versicherungsverhältnis prägenden Kooperationsprinzips nicht möglich. Dieses Gebot, dessen normative Grundlage in § 242 BGB liegt, verlangt von dem VR, mit dem VN in dessen Interesse zusammenzuwirken, um einen möglichst effizienten Versicherungsschutz zu erzielen (…). Di...

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