"Steht aufgrund vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Information fest, dass ein Führerschein von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unter Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt worden ist, haftet dieser Mangel auch dem Führerschein an, in den dieser Führerschein danach in einem anderen Mitgliedstaat umgetauscht wurde. (…)"
Dem Kl. – ein deutscher Staatsangehöriger, der gegenwärtig auch in Deutschland lebt – war nach einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachfolgende Anträge auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis blieben erfolglos, nachdem die eingeholten Fahreignungsgutachten jeweils zu einem negativen Ergebnis geführt hatten. Im Jahr 2009 erhielt der Kl. einen tschechischen Führerschein. Da er ausweislich der Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in der Tschechischen Republik nur einen Scheinwohnsitz begründet hatte, erkannte ihm die zuständige Führerscheinbehörde die Berechtigung ab, mit diesem Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Kfz zu führen, und trug einen entsprechenden Sperrvermerk ein. Die hiergegen gerichtete Klage ist rechtskräftig abgewiesen worden. Da der Kl. gleichwohl in der Bundesrepublik am Straßenverkehr teilgenommen hatte, ist er mehrfach strafgerichtlich verurteilt und mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis belegt worden, die 2013 ablief.
Nachdem er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hatte, erhielt der Kl. dort im Jahr 2014 durch Umtausch einen österreichischen Führerschein. Er war durch Angabe der Code-Nummer 70, der Länderkennung CZ sowie der Angabe von Ausstellungsdatum und Nummer als umgetauschter tschechischer Führerschein erkennbar. Nachdem der Kl. mit diesem Führerschein im Bundesgebiet angetroffen worden war, stellte die Fahrerlaubnisbehörde fest, dass der Kl. nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kfz zu führen. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben (VG Bayreuth, Urt. v. 24.6.2016 – B 1 K 15.708; BayVGH, Urt. v. 21.3.2017 – 11 B 16.2007).
Das BVerwG hat auch die Revision des Kl. zurückgewiesen. Der in § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV normierte Nichtanerkennungstatbestand erfasst die Fälle, in denen der Wohnsitzmangel aufgrund des Umtauschs nicht mehr unmittelbar aus dem Führerschein oder von dessen Ausstellungsmitgliedstaat herrührender Information feststellbar ist, zwar nicht unmittelbar. Die Norm kann auf diese Konstellation aber entsprechend angewendet werden. Der Ausschlussgrund will eine Anerkennung von Führerscheinen, die unter Verstoß gegen die zwingende Zuständigkeitsvoraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt worden sind, verhindern. Diese Zielstellung gebietet eine Erstreckung auch auf die Fälle nachträglich umgetauschter Führerscheine.
Der Anerkennungsgrundsatz der sog. 3. Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der EuGH hat bereits entschieden, dass der offensichtliche Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat auch auf Führerscheine fortwirkt, die später auf der Grundlage eines Führerscheins ausgestellt worden sind, dessen Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten versagt werden durfte. In den betreffenden Rechtssachen ging es um die echte Neuerteilung für andere, an den mit einem solchen Wohnsitzmangel behafteten Führerschein der Klasse B anknüpfende Fahrzeugklassen. Für den hier vorliegenden Umtausch des mit einem Wohnsitzmangel behafteten Führerscheins gilt dies erst recht. Auch in diesen Fällen wirkt der Mangel des ursprünglichen Führerscheins fort. Andernfalls würde der unter offensichtlichem Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung von den tschechischen Behörden ausgestellte Führerschein über die “Verlängerung' eines Umtauschs in einem anderen Mitgliedstaat für das Bundesgebiet im Ergebnis doch verbindlich.“
Pressemitteilung des BVerwG Nr. 45/2018 vom 5.7.2018