StPO § 111a § 136; StGB § 69
Leitsatz
Wird der eines verkehrsstrafrechtlichen Delikts verdächtigte Beschuldigte vor der informatorischen Befragung zur Haltereigenschaft des Fahrzeugs bzw. zur ausschließlichen Nutzung des Fahrzeugs nicht als Beschuldigter ordnungsgemäß belehrt, besteht insoweit ein Beweisverwertungsverbot.
LG Duisburg, Beschl. v. 13.7.2018 – 35 Qs 38/18
Sachverhalt
Das LG Duisburg hat als Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Beschuldigten den die Fahrerlaubnis des Beschuldigten vorläufig entziehenden Beschluss des AG aufgehoben.
2 Aus den Gründen:
"… I. Die gem. §§ 304 Abs. 1, 305 S. 2 StPO statthafte und vom Verteidiger zulässig erhobene Beschwerde gegen den im Tenor näher bezeichneten Beschluss des AG hat auch in der Sache Erfolg, da nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keine dringenden Gründe für die Annahme bestehen, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB entzogen werden wird."
Insoweit besteht nach den derzeitigen Ermittlungsergebnissen kein dringender Tatverdacht dahin, dass der Beschuldigte den Unfall selbst herbeigeführt hat. Der Zeuge S. konnte insoweit zwar das Fahrzeug, mit dem der Unfall verursacht wurde, durch Angabe der Farbe und einiger Teile des amtlichen Kennzeichens mit hinreichender Sicherheit – und einem sich daraus ergebenden dringenden Tatverdacht – identifizieren, zumal an dem sodann ermittelten Fahrzeug der Marke AUDI A4 mit dem amtlichen Kennzeichen (…) Unfallspuren, die mit denen an dem durch den Zeugen S. genutzten Fahrzeug der Marke VW Fox, amtliches Kennzeichen (…), korrespondieren, vorgefunden worden sind. Indes konnte der Zeuge S. den Fahrer des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls weder konkret identifizieren noch beschreiben. Soweit der Beschuldigte sodann im Rahmen einer informatorischen Befragung durch den Polizeibeamten PK I. angegeben hat, er sei alleiniger Nutzer des Fahrzeugs der Marke AUDI, unterliegen seine diesbezüglichen Angaben einem – auch durch seinen Verteidiger geltend gemachten – Beweisverwertungsverbot, das sich aus der mangelnden vorherigen Belehrung als Beschuldigter, mithin aus §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2 StPO ergibt. Zwar lag, soweit die Polizeibeamten in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs der Marke AUDI Ermittlungen zum Halter dieses Fahrzeugs vorgenommen haben, woraufhin – so dürfte der Aktenvermerk vom 28.2.2018 zu verstehen sein – der Beschuldigte eingeräumt hat, Halter des Fahrzeugs zu sein, noch eine ohne vorherige Belehrung als Beschuldigter zulässige informatorische Befragung vor. Nach dieser Auskunft des Beschuldigten, er sei Halter des Fahrzeugs, hatte sich der Tatverdacht dahingehend, dass er als Halter mit dem Fahrzeug auch zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren war, aber so sehr verdichtet, dass er nunmehr als Beschuldigter anzusehen war und als solcher auch hätte belehrt werden müssen. Da diese Belehrung aber erst nach seiner Angabe, er sei alleiniger Nutzer des Fahrzeugs – mithin erst zu einem Zeitpunkt, als sich nicht nur ein Anfangsverdacht ergeben hatte, sondern die Täterschaft quasi eingeräumt war –, erfolgte, besteht insoweit ein Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.7.2013 – 2 OLG Ss 113/13). Nach dem zuvor bezeichneten Aktenvermerk des Polizeibeamten PK I. ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Angabe des Beschuldigten, er sei alleiniger Nutzer des Fahrzeugs, um eine auch ohne vorherige Beschuldigtenbelehrung verwertbare Spontanäußerung handelte, da in dem Vermerk festgehalten ist, der Halter sei in einem Billard-Verein angetroffen und zum Sachverhalt befragt worden, woraufhin er angegeben habe, alleiniger Nutzer des Fahrzeugs der Marke AUDI zu sein, so dass sich in diesem Zusammenhang der Verdacht, er könne unfallverursachender Fahrer gewesen sein, ergeben habe. Andere Beweismittel für die Fahrereigenschaft stehen nicht zur Verfügung.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog. …“
3 Anmerkung:
Die Verletzung der Belehrungspflicht des Betr. nach § 163a Abs. 4 S. 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO begründet auch im Bußgeldverfahren grds. ein Verwertungsverbot (OLG Bamberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 2 Ss OWi 973/18), sodass gerade in Verfahren, die einen Vorwurf nach § 24a StVG zum Gegenstand haben, genau geprüft werden muss, ob die Belehrung zur rechten Zeit erfolgt ist (LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.5.2013 – 6 Qs 61/13, zfs 2013, 590). Allerdings greift das Verwertungsverbot nicht, wenn es zweifelhaft bleibt, ob eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgt war oder nicht. Diese Konsequenz folgt aus der Lehre, die den Zweifelsgrundsatz nicht auf den Nachweis von Verfahrensfehlern anwendet. Diese Rspr. des BGH wurde auch durch die obergerichtliche Rspr. für das Bußgeldverfahren mehrfach bestätigt (zuletzt OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.9.2016 – 1 OWi 1 Ss Bs 37/16, zfs 2017, 351).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 12/2018, S. 713 - 714