VVG § 115 Abs. 1 Nr. 2 § 125; ARB 2001 § 4 Nr. 1 S. 1 Buchst. C
Leitsatz
1. In der Rechtsschutzversicherung stellt die Geltendmachung eines Direktanspruchs des Geschädigten nach Insolvenz des Schädigers gegen dessen Vermögensschadenhaftpflichtversicherer einen eigenständigen Rechtsschutzfall i.S.d. § 4 Nr. 1 S. 1 c) ARB 2001 dar.
2. Der Rechtsschutzfall ist daher mit einer gegenüber dem Geschädigten erklärten Zurückweisung des geltend gemachten Direktanspruchs durch den Vermögensschadenhaftpflichtversicherer eingetreten.
3. Im Falle einer schriftlichen Deckungsablehnung des Vermögensschadenhaftpflichtversicherers ist für den Eintritt des Rechtsschutzfalls auf den Zugang der Deckungsablehnung abzustellen, so dass bei Beendigung der Rechtsschutzversicherung in diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz besteht.
OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2019 – 9 U 109/18
1 Aus den Gründen:
"… Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rechtsschutzfall ist nicht in versicherter Zeit eingetreten. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung."
Die Kl. begehren die Gewährung von Rechtsschutz für die Geltendmachung eines Direktanspruches aus § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG gegen die H Versicherung AG, den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der insolventen S. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Der Eintritt des Versicherungsfalls für die streitgegenständliche Interessenwahrnehmung gegen den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer des Schädigers richtet sich allein nach § 4 Nr. 1c) der vereinbarten ARB 2011. Entgegen der Auffassung der Kl. ist der Schadenersatz-Rechtsschutz gem. § 4 Nr. 1a) ARB 2011 nicht einschlägig. § 4 Nr. 1a) ARB 2011 verweist zum Eintritt des Rechtsschutzfalls im Schadensersatz-Rechtsschutz auf § 2a) ARB 2011. Danach betrifft der Schadenersatz-Rechtsschutz nur die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, soweit diese nicht auch auf einer Vertragsverletzung beruhen. Vorliegend stützen die Kl. ihren Direktanspruch gegen die H auf den Haftpflichtversicherungsvertrag der S. i.V.m. § 115 VVG. Sie werfen der H keine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung vor, die nicht zumindest auch auf einer Verletzung von vertraglichen Pflichten aus dem Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag beruhen soll.
Die Geltendmachung eines Direktanspruchs gegen den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG stellt einen eigenständigen Rechtsschutzfall i.S.d. § 4 Nr. 1c) ARB 2011 und nicht nur eine Fortsetzung des Rechtsschutzfalls betreffend die Interessenwahrnehmung gegen den Schädiger dar. Dies folgt aus den vom BGH entwickelten Grundsätzen zur Einziehungsklage und zum Vorzugsrecht des Geschädigten gem. § 157 VVG a.F, die auf den Direktanspruch gem. § 115 VVG zu übertragen sind.
Für eine auf Pfändung und Überweisung des Anspruchs gegen einen Drittschuldner gestützte Einziehungsklage hat der BGH (r+s 2009, 107) entschieden, dass es sich insoweit – in Abgrenzung zur Verfolgung des Primäranspruchs, dessen Erfüllung mittels der Pfändung und Überweisung des gegen einen Drittschuldner gerichteten Anspruchs erreicht werden soll – in Ansehung der Rechtsschutzversicherung nicht lediglich um eine Maßnahme zur Vollstreckung des Primäranspruchs und damit eine Fortsetzung des ihn betreffenden Rechtsschutzfalles, sondern um einen neuen, eigenständigen Rechtsschutzfall handelt. Er beruht darauf, dass nach Darstellung des Rechtsschutzversicherungsnehmers der Drittschuldner gegenüber dem Pfandgläubiger seiner Verpflichtung aus der gepfändeten Forderung nicht nachkommt. Ob der Rechtsschutzversicherer für diesen zusätzlichen Rechtsschutzfall einzustehen hat, hängt allein davon ab, ob sich sein Leistungsversprechen auch auf die mit der Einziehungsklage geltend gemachten rechtlichen Interessen erstreckt (BGH r+s 2009, 107).
Diese Grundsätze hat der BGH auf eine beabsichtigte, auf § 157 VVG a.F. gestützte Einziehungsklage gegen den Haftpflichtversicherer eines Wirtschaftsprüfers übertragen. Auch hier verfolgen die Kl. nicht mehr den gegen den Schädiger gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern den ihnen zu Vollstreckungszwecken zugewiesenen vertraglichen Deckungsanspruch dieses Schädigers aus dessen Haftpflichtversicherungsverhältnis. Dabei handelt es sich um einen vom ursprünglichen Haftpflichtbegehren getrennt zu beurteilenden, neuen Rechtsschutzversicherungsfall, der nicht auf die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs i.S.v. § 14 (1) ARB 75 gerichtet ist, sondern vertragliche Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, weshalb der Eintritt dieses Versicherungsfalles nach § 14 (3) ARB 75 zu beurteilen ist (BGH zfs 2015, 41).
Diese Ausführungen des BGH sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Kl. verfolgen gegenüber der H nicht mehr den gegen die S. gerichteten Schadensersatzanspruch weiter. Der Schadensersatzanspruch gegen die S. ist durch die Feststellung in der Insolvenztabelle tituliert. Vielmehr begehren sie die Gewährung von Rechtsschutz für die Geltendmachung des Deckungsanspruchs ge...