RVG § 18 Abs. 1 Nr. 1 § 19 Abs. 2 Nr. 5; VV RVG Nr. 3100 3309; ZPO § 890 Abs. 2
Leitsatz
Die nach Abschluss eines Prozessvergleichs im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass einer Strafandrohung stehende anwaltliche Tätigkeit löst eine Vollstreckungsgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3309 aus, die nicht durch die im Hauptsacheprozess verdiente Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3100 abgegolten ist.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.5.2020 – 8 W 154/20
Sachverhalt
Die AG hatten sich gegenüber der ASt. in dem vor dem OLG Stuttgart geschlossenen Prozessvergleich v. 2.11.2017 zur Unterlassung einer Handlung verpflichtet. Der Prozessbevollmächtigte der ASt. beantragte beim Prozessgericht erster Instanz, dem LG Stuttgart, den AG für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft anzudrohen. Dem hat das LG Stuttgart durch Beschl. v. 19.12.2018 entsprochen und den AG die Kosten des Androhungsverfahrens auferlegt.
Aufgrund dieser Kostenentscheidung hat die ASt. die Festsetzung ihrer Anwaltskosten für das Androhungsverfahren gegen jeden der AG beantragt, nämlich je einer 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nach dem vom LG Stuttgart im vorgenannten Beschluss festgesetzten Streitwert von 60.000 EUR. Die Rechtspflegerin des LG Stuttgart hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hatte die ASt. beim OLG Stuttgart Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[3] Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der ASt. hat auch in der Sache Erfolg.
[4] Auf Seiten des Prozessbevollmächtigten der ASt. ist jeweils eine Vollstreckungsgebühr gem. RVG VV Nr. 3309 entstanden und von den AG zu erstatten.
[5] Wurde die nach § 890 Abs. 2 ZPO erforderliche Androhung von Ordnungsmitteln nicht in einem Urteil ausgesprochen, muss ein entsprechender Beschluss herbeigeführt werden, der nur auf Antrag des Gläubigers erlassen wird. Dieser Androhungsbeschluss ist Teil der Zwangsvollstreckung und stellt deren Beginn dar. Hieraus folgt, dass der Rechtsanwalt, der den entsprechenden Antrag stellt, im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig wird. Davon geht auch § 19 Abs. 2 Nr. 5 RVG aus, der die der Verhängung von Ordnungsgeld vorausgehende Androhung den Vollstreckungsmaßnahmen des § 18 Nr. 1 RVG zugehörig qualifiziert (OLG Hamm RVGreport 2014, 404 (Hansens) = AGS 2014, 518; Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, § 19 Rn 131, beck-online). Somit reicht der Antrag auf Erlass eines Androhungsbeschlusses aus, um die Vollstreckungsgebühr gem. RVG VV Nr. 3309 zur Entstehung zu bringen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, RVG VV 3309 Rn 355). Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt zuvor den Mandanten im Hauptsacheverfahren vertreten hat (Ebert a.a.O., § 19 Rn 132, beck-online). Nur wenn der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter im Rechtsstreit tätig war und die Androhung antragsgemäß im zu vollstreckenden Urteil ausgesprochen wurde, ist die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Androhung nicht als Beginn der Zwangsvollstreckung anzusehen (BGH – I ZR 107/77, Rn 19, juris = NJW 1979, 217), sondern gehört zum Rechtszug im Erkenntnisverfahren (§ 19 Abs. 1 S. 1 RVG) und ist folglich mit der Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100 abgegolten (OLG Köln, Beschl. v. 7.5.2010 – 4 WF 27/10 – AGKompakt 2010, 75; Müller-Rabe a.a.O.; Ebert a.a.O., Rn 131). Wurde das Verfahren jedoch – wie vorliegend – durch einen Vergleich beendet und muss daher der Antrag auf Erlass der Strafandrohung nachträglich beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs erneut gestellt werden, löst die damit im Zusammenhang stehende anwaltliche Tätigkeit die Vollstreckungsgebühr gem. RVG VV Nr. 3309 aus und wird nicht durch die im Hauptsacheprozess verdiente Verfahrensgebühr des Anwalts mit abgegolten (für BRAGebO: OLG München NJW 1968, 411).
[6] Auch wenn der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln einheitlich gegen beide AG auf Grundlage eines Titels gestellt wurde, handelt es sich um mehrere Zwangsvollstreckungsangelegenheiten (Müller-Rabe a.a.O., Rn 65), so dass die Gebühr nach RVG VV Nr. 3309 für jeden Schuldner gesondert anfällt. …“
3 Anmerkung:
Die zutreffende Entscheidung des OLG Stuttgart gibt Anlass, sich mit der Anwaltsvergütung im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO etwas näher zu befassen.
Androhung von Ordnungsmitteln
Anwaltsvergütung
Die nachträgliche Androhung von Ordnungsmitteln löst für den Anwalt des Gläubigers auch dann eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus, wenn er zuvor für den Mandanten im vorangegangenen Rechtsstreit als Prozessbevollmächtigter tätig gewesen ist. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Androhung von Ordnungsgeld, sondern auch für die Androhung von Ordnungshaft. § 19 Abs. 2 Nr. 5 RVG erwähnt zwar lediglich die Androhung von Ordnungsgeld. Von dieser Regelung erfasst sind jedoch sämtliche in § 890 Abs. 1 ZPO geregelte Ordnungsmittel (siehe hierzu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., Nr. 3309 VV RVG Rn 356). Die 0, 3 Verfahrensgebüh...