EuVVO Art. 7 Nr. 2
Leitsatz
Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedstaat rechtswidrig mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat befindet.
EuGH, Urt. v. 9.7.2020 – Rs C – 343/19
Sachverhalt
Der klagende gemeinnützige Verein für Konsumenteninformation in Wien hat nach seiner Satzung u.a. von Verbrauchern abgetretene Ansprüche geltend zu machen. 374 Verbraucher hatten an den Kl. (im Folgenden: VfK) ihre Ansprüche gegen VW in Wolfsburg abgetreten. Diese ergaben sich nach Ansicht der Kl. daraus, dass VW die Kfz mit einer Software versehen hatte, die im Zulassungsverfahren zur Erlangung der Typengenehmigung die Abgaswerte der Fahrzeuge manipulierte. Der Erwerb der Fahrzeuge war weder von VW in Deutschland noch von einem österreichischen Generalimporteur erfolgt. Vielmehr waren Neuwagen von gewerblichen Fahrzeughändlern in Österreich, Gebrauchtwagen von österreichischen Privat-Verbrauchern veräußert worden. Der VfK erhob vor dem LG Klagenfurt Klage gegen VW mit dem Antrag, VW zur Zahlung von 3. 611. 806 EUR wegen von ihm angenommener deliktischer und quasideliktischer Haftung aufgrund der Abgasmanipulation zu verurteilen sowie auf die Feststellung der Haftung von VW für noch nicht bezifferte und bezifferbare Schäden hieraus. Der VfK leitete den Schaden der von ihm vertretenen Eigentümer daraus her, dass diese bei Kenntnis der Manipulation durch VW entweder die Fahrzeuge nicht oder nur mit einem Preisabschlag von 30 % gekauft hätten.
Der Streit der Parteien drehte sich zunächst um die Frage der internationalen Zuständigkeit des angerufenen österreichischen Gerichts. Der klagende Verein bezog sich hierzu auf Art. 7 Abs. 2 EuVVO (= VO Nr. 1215/2012). Der Abschluss des Kaufvertrages, die Übergabe des Fahrzeugs, die Zahlung des Kaufpreises und der Eintritt des Schadens seien im Sprengel des österreichischen Gerichts erfolgt. Das vorlegende Gericht zweifelte daran, ob seine internationale Zuständigkeit gegeben sei und legte dem EuGH die Vorlagefrage nach der internationalen Zuständigkeit des Gerichts in Klagenfurt vor. Der EuGH bejahte das Vorliegen einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen österreichischen Gerichts mit der Begründung, erst am Erwerbsort (in Österreich) habe sich der Schaden verwirklicht.
2 Aus den Gründen:
"…"
[21] Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Nr. 2 der VO Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedstaat rechtswidrig mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat befindet.
[22] Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass, da die VO Nr. 1215/2012 gemäß ihrem 34. Erwägungsgrund die VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl 2001 L 12, 1; im Folgenden: VO Nr. 44/2001) aufhebt und ersetzt, die ihrerseits das Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl 1972 L 299, 32) idF der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) ersetzt hat, die vom EuGH vorgenommene Auslegung der Bestimmungen der letztgenannten Rechtsinstrumente nach st. Rspr. auch für die Verordnung Nr. 1215/2012 gilt, soweit die betreffenden Bestimmungen als “gleichwertig' angesehen werden können (EuGH, ECLI:EU-C;2019:635 = EuZW 2019, 792; Rn 23 m.w.N. – Tibor Trans [C-451/18]). Dies ist bei Art. 5 Abs. 3 des Brüsseler Übereinkommens und der VO Nr. 44/2001 einerseits und Art. 7 Nr. 2 der VO Nr. 1215/2012 andererseits der Fall (EuGH, ECLI:EU-C:2018:360 = EuZW 2018, 783 Rn 18 m.w.N. – Nothartová [C-306/17]).
[23] Wie der EuGH in seiner Rspr. zu diesen Bestimmungen wiederholt entschieden hat, ist mit dem Ausdruck “Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist' sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Bekl. nach Wahl des Kl. vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH, ECLI:EU:C:2009:475 = EuZW 2009, 608 Rn 23 – Zuid-Chemie [C-189/08], sowie EuGH, ECLI:EU:C:2019:635 = EuZW 2019, 792 nRn 25 m.w.N. – Tibor-Trans).
[24] Im vorliegenden Fall ergibt sich zum einen aus den dem EuGH vorliegenden Akten, dass sich der Ort des ursächlichen Geschehens in dem Mitgliedstaat befindet, in dessen Hoheitsgebiet die fraglichen Kraftfahrzeuge mit einer Softwar...