Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr stellen ein Massendelikt dar, weshalb die Rechtsprechung sehr schnell Messgeräte als standardisiertes Messverfahren eingestuft hat. Ein standardisiertes Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche (Mess-)Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Liegt ein standardisiertes Messverfahren vor, ist das Gericht nicht gehalten, die Ordnungsgemäßheit der Messung weiter aufzuklären, vielmehr ist es Sache des Betroffenen und seines Verteidigers, Anhaltspunkte für Fehler bei der Messung aufzuzeigen.
Derartige Messfehler sind aber aus dem Akteninhalt, den man üblicherweise im Rahmen der Akteneinsicht erhält, grundsätzlich nicht ersichtlich. Daher war es konsequent, dass zuletzt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18 der weit verbreiteten obergerichtlichen Rechtsprechung Einhalt geboten und aufgezeigt hat, dass dem Betroffenen und seinem Verteidiger umfassende Akteneinsicht zu gewähren ist.
Ohne das Zurverfügungstellen der Rohmessdaten ist eine Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung in aller Regel nicht möglich. Aus etlichen Verfahren ist bekannt, dass anhand der Auswertung der Rohmessdaten nachvollzogen werden kann, ob die Messung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Verschiedentliche Messgeräte wie Leivtec XV3 speichern jedoch keine Messdaten (mehr). Dies wäre allerdings technisch ohne weiteres möglich.
Sind die Messdaten nicht (mehr) vorhanden, so scheitert auch eine Überprüfung der Messung durch Sachverständige bzw. kann anhand von den vorliegenden Unterlagen allenfalls eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden.
Daher ist zu Recht die Frage aufgeworfen, ob solche Messungen, die letztlich nicht überprüfbar sind, noch rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen. Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvR 1616/18.
Es ist daher jedenfalls in den Verfahren, in denen Rohmessdaten von den Messgeräten nicht gespeichert werden, die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beantragen, ansonsten wäre Rechtsbeschwerde einzulegen bzw. auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. zu Fällen des § 80 Abs. 2 OWiG: Cierniak/Niehaus, DAR 2018, 541 ff.) zu beantragen.