Das gegen Richter am Landgericht Dr. N. gerichtete Ablehnungsgesuch vom 4.8.2021 ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Es besteht keine Besorgnis der Befangenheit i.S.v. §§ 71 OwiG, 24 StPO.
Das Recht der Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit setzt das objektiv zu verstehende Vorliegen eines Befangenheitsgrundes voraus. Nicht irgendein subjektives Misstrauen rechtfertigt die Ablehnung, sondern nur ein gegenständlicher, vernünftiger Grund. Ob der Richter wirklich befangen ist, befangen ist, spielt keine Rolle. Es genügt, dass Tatsachen vorliegen, die aus der Sicht der Partei geeignet sind, seine Parteilichkeit zu befürchten. Noch weniger kommt es darauf an, ob er sich befangen fühlt. Andererseits muss jedoch jedes individuell begründete oder gesteigerte Misstrauen ausscheiden. Entscheidend ist vielmehr, ob eine "normale", sachlich und vernunftgemäß denkende Partei in gleicher Lage einen Grund sähe, der Unparteilichkeit des Richters zu misstrauen (BVerfG NJW 2011, 3637 m.w.N.; OLG Hamm FamRZ 1999, 936; OLG Celle AnwBl 1997, 295; OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 763). Allein die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt ebenso wenig ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit wie Maßnahmen der materiellen Prozessleitung. Dies gilt selbst im Hinblick auf Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen (BGH NJW-RR 2012, 61; OLG Köln NJW-RR 1993, 1277).
Die innerhalb der Hauptverhandlung nach einem Geständnis des Betroffenen in derselben (Protokoll der Hauptverhandlung vom 4.8.2021 Bl. 2) getätigte Äußerung des abgelehnten Richters "über eine Rücknahme des Einspruchs nachzudenken" gibt keinen Anlass zu besorgen, dass der Vorsitzende im Hinblick auf die Rechtsfolge bereits endgültig festgelegt ist. Eine unsachliche Einstellung von Richter am Landgericht Dr. N. gegenüber dem Betroffenen lässt sich aus der bloßen Anregung nach einem erfolgten Geständnis und der Vernehmung zur Person über eine Einspruchsrücknahme zu beraten und dem zuvor erfolgten Hinweis nebst Erfahrungsbericht aus der eigenen Familie des Richters auf die besonderen organisatorischen Herausforderungen eines Fahrverbotes für Selbstständige, nicht entnehmen. Das vorläufige Urteil eines Richters über die Prozessaussichten begründet in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn ein verständiger Angeklagter (hier: Betroffener) wird davon ausgehen, dass ein Richter aufgrund seiner Stellung, Erziehung und Ausbildung willens und in der Lage ist, beim Auftauchen neuer Gesichtspunkte sein vorläufiges Urteil jederzeit bis zur endgültigen Entscheidung zu überprüfen und abzuändern. Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz gilt nur dann, wenn besondere Umstände hinzukommen, die an der Unvoreingenommenheit des Richters Zweifel aufkommen lassen (KG, Beschl. v. 10.8.1998 – 2 Ss 194/98 – 3 Ws (B) 401/98). Derartige Umstände sind weder aus dem Protokoll, dem Ablehnungsantrag, noch aus der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters ersichtlich. Da dem Betroffenen ausweislich des in der Akte vorhandenen Bußgeldbescheids eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften von 31 km/h zur Last gelegt worden war, für die der Bußgeldkatalog ein Regelfahrverbot von 1 Monat vorsieht, war es nach der Vernehmung zur Person, mit der die beruflichen und wirtschaftlichen Folgen einer solchen Maßregelanordnung geklärt werden, um das Vorliegen der Voraussetzungen einer außergewöhnliche Härte seitens des Gerichts zu prüfen, sachgerecht, die Beratung über eine mögliche Einspruchsrücknahme zwischen dem Betroffenen und seiner Verteidigerin anzuregen. Eine solche richterliche Verhaltensweise ist vor dem Hintergrund der bestehenden richterlichen Fürsorgepflicht im Hinblick auf die etwaigen Kostenfolgen im Falle des Erlasses eines Urteils für den Betroffenen gerade geboten und bietet keinen Anlass an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Denn der abgelehnte Richter hat eine solche Beratung im Rahmen der Hauptverhandlung nach der Anhörung des Betroffenen angeregt und nicht vor einer solchen. Das Gericht kann daher die Besorgnis des Betroffenen, der abgelehnte Richter treffe keine Einzelfallentscheidung, nicht nachvollziehen.
Diese Entscheidung ist nur zusammen mit dem Urteil anfechtbar, §§ 71 OwiG, 28 Abs. 2 StPO.
zfs 12/2021, S. 713 - 714