Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Rechtsanwalt im Interesse seines Mandanten stets den sichersten Weg zu wählen hat, um die Ansprüche des Mandanten zu sichern und durchzusetzen. Dementsprechend "hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist". Will sich der Anwalt nicht einer Regressverpflichtung ausgesetzt sehen, so ist er zwingend gehalten, für eine Absicherung der Ansprüche des Geschädigten Sorge zu tragen. Dies gelingt allein durch Abforderung einer titelersetzenden Erklärung oder aber durch Erhebung der allgemeinen Feststellungsklage. Der BGH judiziert, dass die allgemeine Feststellungsklage alle materiellen und ggf. immateriellen Ansprüche gegen eine Verjährung absichert. Der BGH führt insoweit aus:
Zitat
"Danach ist der Antrag dahin zu verstehen, dass die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle materiellen Schäden begehrt hat, die ab Einreichung der Klage zukünftig entstehen. Das folgt erst recht aus den für die Antragsauslegung geltenden Grundsätzen. Danach gilt, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht […] Nach diesen Kriterien ist es offensichtlich, dass sich die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage im Vorprozess auf den gesamten Erwerbsschaden ab Klageeinreichung erstreckt. Die recht verstandene Interessenlage gebot, mit dem Feststellungsantrag allen über den Leistungsantrag, der sich nur auf den immateriellen Schaden bezog, hinausgehenden materiellen Schaden zu erfassen, um die Klägerin gegen die Verjährungseinrede abzusichern."
Danach ist festzuhalten, dass mit einer allgemeinen uneingeschränkten Feststellungsklage alle denkbaren Ansprüche des Geschädigten gegen Verjährung abgesichert sind. Dies gilt selbst für solche Ansprüche, an die die Parteien zunächst nicht einmal gedacht haben. Wer denkt schon im Rahmen einer Schadenregulierung bei einem kleinen Kind daran, dass das Kind aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen möglicherweise erst verspätet ins Erwerbsleben eintritt, mit der Folge, dass dem Kind zu späterer Zeit ein Erwerbsschaden dadurch entsteht, dass es möglicherweise zwei Jahre weniger arbeiten kann aufgrund des späteren Eintritts in das Erwerbsleben, als dies der Fall wäre, wenn der Unfall nicht geschehen wäre. Nur durch die Feststellungsklage lassen sich diese – oft unbekannten – zukünftigen Ansprüche gegen Verjährung absichern.
Bei der Durchsicht von Arbeitsproben findet der Verfasser gelegentlich Aufforderungsschreiben vor, in denen der Versicherer kurz vor Ablauf der Regelverjährung von drei Jahren aufgefordert wird, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Der Versicherer antwortet dann regelmäßig dergestalt, dass für weitere drei Jahre auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird, soweit nicht bereits Verjährung eingetreten ist. Es kann nur befürchtet werden, dass hier "manche Leiche im Keller liegt". Eine solche Erklärung dürfte gerade keine titelersetzende Erklärung darstellen, da die Parteien gerade nicht durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen vereinbaren wollen, dass alle Ansprüche des Geschädigten gegen Verjährung abgesichert werden. Von daher sollte in einer jeden Schadenakte spätestens nach drei Monaten eine titelersetzende Erklärung angefordert sein. Wird diese dann nicht abgegeben, so sollte im Folgenden die hier praktizierte allgemeine Feststellungsklage erhoben werden.
Stehen gravierende, möglicherweise nicht ganz unerhebliche Ansprüche im Raum, so besteht der Verfasser im Übrigen darauf, dass eine entsprechende titelersetzende Erklärung in rechtsverbindlicher Form entweder durch den Vorstand einer jeweiligen Versicherungsgesellschaft oder aber durch zeichnungsberechtigte Prokuristen abgegeben wird. Wer möchte sich schon nach Jahren mit Fragen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht "herumplagen". Der jeweiligen Akte vorgeheftet werden dann ein aktueller Registerauszug aus dem Handelsregister sowie die abgegebene schriftliche Erklärung, die dann durch die zeichnungsberechtigten Personen abgegeben wurde. Wenn dann einzelne Versicherer eine schriftliche Erklärung überreichen, wonach alle Großschadenregulierer zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung berechtigt sind, dann wird halt diese Erklärung der Akte vorgeheftet.
Spätestens jetzt ist der Grund des Anspruchs wirksam gegen Verjährung abgesichert. Dass bei wiederkehrenden Leistungen noch Besonderheiten zu berücksichtigen sind, wird an späterer Stelle behandelt.
Autor: Rechtsanwalt Rolf-Helmut Becker, Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Bergneustadt
zfs 12/2021, S. 664 - 671