Die Sach- und Rechtslage
Die Entscheidung des BGH klärt eine in letzter Zeit immer häufiger auftretende Frage aus dem Bereich der Kostenerstattung. Vielfach beauftragen größere Unternehmen mit ihrer Prozessvertretung Spezialanwälte, die für sie bundesweit in jedem Gerichtsverfahren tätig sind. Dabei müssen diese Rechtsanwälte, wie der Fall des BGH zeigt, ihre Kanzlei nicht notwendig am Sitz des Unternehmens haben. Für die Wahrnehmung von Verhandlungs- und Beweisterminen reist dann oft einer der Anwälte an. Hierdurch fallen dann Terminsreisekosten an, die bei Beauftragung eines am Gerichtsort kanzleiansässigen Prozessbevollmächtigten gar nicht und bei Bestellung eines im Bezirk des Gerichtsorts niedergelassenen Anwalts meist in geringerer Höhe entstanden wären. Im Fall des BGH betrug die Differenz (tatsächlich angefallene Reisekosten von Köln nach München i.H.v. 289,59 EUR abzügl. vom Rechtspfleger berücksichtigter fiktiver Reisekosten i.H.v. 44,80 EUR =) 244,79 EUR. In der Praxis kann dieser Differenzbetrag aber auch viel höher liegen, etwa wenn mehrere Terminsreisen erforderlich sind oder wenn der Rechtsanwalt in erstattungsrechtlich anzuerkennender Weise die Terminsreise mit dem Flugzeug unternimmt. Nach der Entscheidung des BGH sind diese Mehrkosten von der unterlegenen Partei zu erstatten.
Ist die Hinzuziehung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten nach Maßgabe des § 91 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 ZPO erstattungsrechtlich anzuerkennen, gilt dies für sämtliche gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Eine gesonderte Prüfung, ob die Wahrnehmung der Terminsreise des auswärtigen Prozessbevollmächtigten im Einzelfall notwendig war oder ob ein am Gerichtsort kanzleiansässiger Rechtsanwalt den Termin hätte wahrnehmen können, ist in diesem Fall grundsätzlich nicht vorzunehmen. Dies ergibt sich m.E. bereits aus der Gesetzessystematik in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Danach sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich erstattungsfähig. Einschränkungen macht das Gesetz nur für Reisekosten eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts kanzleiansässigen und wohnhaften Rechtsanwalts. Ist dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, so gilt im Umkehrschluss, dass zu den grundsätzlich nach Hs. 1 zu erstattenden gesetzlichen Auslagen des Rechtsanwalts auch dessen Reisekosten in vollem Umfang erstattungsfähig sind.
Praktische Auswirkungen auf das Kostenfestsetzungsverfahren
Die Rechtsprechung des BGH führt somit im Regelfall dazu, dass im Kostenfestsetzungsverfahren lediglich zu prüfen ist, ob die Einschaltung des auswärtigen Prozessbevollmächtigten überhaupt notwendig war. Ist dies nicht der Fall, kann die obsiegende Partei grundsätzlich nur diejenigen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts erstattet verlangen. Dabei sind allerdings tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Kanzlei am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte (BGH AGS 2018, 319 = zfs 2018, 524 mit Anm. Hansens = RVGreport 2018, 341 (Hansens)).
Beratung über das Prozesskostenrisiko
Die Entscheidung des BGH hat aber auch Auswirkungen auf den Inhalt der anwaltlichen Belehrung über das Prozesskostenrisiko. Grundsätzlich hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten, der einen Rechtstreit führen will, auch über das Prozesskostenrisiko zu beraten, wozu auch die mögliche Erstattungspflicht gegenüber dem Gegner gehört. Das Problem ist, dass die Höhe der dem Gegner anfallenden und erstattungsfähigen Anwaltskosten vorab kaum ermittelt werden kann. So konnte im Fall des BGH der Prozessbevollmächtigte des Klägers wohl nicht voraussehen, dass sich die in München ansässige Beklagte durch Kölner Prozessbevollmächtigte vertreten lässt, es sei denn, dies hätte sich bereits in der vorgerichtlichen Korrespondenz angekündigt. Ebenso wenig kann bei Entgegennahme des Prozessmandats abgesehen werden, welche (Termins-)Reisekosten dem Rechtsanwalt der Gegenseite anfallen können. Dies hängt einmal davon ab, in welcher Entfernung vom Gericht der Rechtsanwalt der Gegenseite seine Kanzlei hat und mit welchen Verkehrsmitteln er anreist. Natürlich hat auch die Anzahl der Termine einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Terminsreisekosten. Deshalb kann der Rechtsanwalt seinen Mandanten über den Umfang des Prozesskostenrisikos nicht auf den EUR und den Cent genau hinweisen. Er kann dem Mandanten nur sagen, welche Gebühren und Auslagen voraussichtlich für einen am Ort des Prozessgerichts kanzleiansässigen Gegenanwalt anfallen. Darüber hinaus hat der Anwalt seinen Mandanten aber auch darauf hinzuweisen, dass diese Auslagen weitaus höher sein können, nämlich dann, wenn – wie im Fall des BGH – die Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten als notwendig anzuerkennen ist. Dies kann dann im Ei...