VVG § 124 Abs. 1
Leitsatz
a) Ist die Direktklage eines Dritten gegen den VR und den Fahrer rechtskräftig abgewiesen worden, ist eine Klage gegen den Halter gemäß § 124 Abs. 1 VVG dann ausgeschlossen, wenn der VR zumindest auch wegen der Halterhaftung erfolglos in Anspruch genommen worden war.
b) Die Rechtskrafterstreckung gemäß § 124 Abs. 1 VVG erfolgt auch dann, wenn der Dritte mit seinem Begehren auf Schadensersatz gegen den VR (nur) deshalb unterlegen ist, weil er seine Aktivlegitimation nicht nachweisen konnte.
BGH, Urt. v. 27.4.2021 – VI ZR 883/20
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Verkehrsunfall.
Der Schwiegersohn der Beklagten (im Folgenden: Fahrer) parkte im September 2015 einen Pkw VW Touran, dessen Halterin die Bekl. ist und das bei der Streithelferin haftpflichtversichert ist, am rechten Straßenrand in einer Kurve und öffnete die Fahrertür. Der Ehemann der Kl. fuhr mit einem Pkw Hyundai an dem Fahrzeug der Beklagten unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn vorbei und kollidierte mit einem entgegen kommenden Motorrad.
Die Kl. nahm zunächst die Streithelferin und den Fahrer vor dem Amtsgericht Fürth/Odenwald auf Ersatz des Schadens in Höhe von 2.285,62 EUR aus dem Verkehrsunfall in Anspruch. Das AG wies die Klage mit der Begründung ab, die Kl. habe ihre Eigentümerstellung bezüglich des beschädigten Pkw Hyundai nicht konkret dargelegt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kl. wies das LG D zurück.
Im hiesigen Rechtsstreit hat die Kl. nun von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.285,62 EUR nebst Zinsen verlangt. Sie hat behauptet, sie sei Eigentümerin des Pkw Hyundai. Zu dem Zusammenstoß mit dem Motorrad sei es gekommen, weil ihr Ehemann der geöffneten Tür des Fahrzeugs der Beklagten habe ausweichen müssen. Die Klageabweisung durch das AG F/O stehe der Klage gegen die Bekl. nicht entgegen, weil sie aus formellen Gründen erfolgt sei.
Das AG hat die Klage im Hinblick auf § 124 VVG als unzulässig abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Kl. zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[7] Die Klage ist wegen der Bindungswirkung des rechtskräftigen klageabweisenden Urteils des AG F/O gemäß § 124 Abs. 1 VVG zugunsten der Beklagten unzulässig.
[8] 1. Die Bekl. ist in persönlicher Hinsicht von der Rechtskrafterstreckung des § 124 Abs. 1 VVG erfasst. Nach dieser Vorschrift wirkt ein rechtskräftiges Urteil, durch das festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wenn es zwischen dem Dritten und dem VR ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem VN ergeht, auch zugunsten des Versicherers. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus betrifft die Bindungswirkung der rechtskräftigen Klageabweisung auch das Verhältnis des (Mit-)Versicherten (Fahrer) zum VR und umgekehrt (Senat …). Voraussetzung ist stets, dass der Dritte gegen den VR gemäß § 115 Abs. 1 VVG einen Direktanspruch hat, § 124 Abs. 3 VVG.
[9] Bei einer Direktklage gegen den VR ist bei der Bestimmung der Reichweite der Rechtskrafterstreckung zu berücksichtigen, dass die Klage auf der Einstandspflicht des Versicherers wegen der Haftungsverantwortlichkeit des Halters oder der des Fahrers oder auf beidem basieren kann (vgl. Senat, BGHZ 96, 18, 22 f. …). So ist der Geschädigte etwa nicht gehindert, nach rechtskräftiger Abweisung seiner Klage gegen den Halter den Fahrer bzw. (nur) wegen dessen Haftung den VR in Anspruch zu nehmen (…). Wegen der Haftung des Halters kann der VR dagegen nicht mehr in Anspruch genommen werden (…). Ist umgekehrt die Klage gegen den Fahrer abgewiesen worden, hindert das nicht die Inanspruchnahme des Halters und des Versicherers nur wegen der Halterhaftung.
Für den – hier vorliegenden – Fall, dass zunächst die Klage gegen den VR abgewiesen worden ist, ist eine Klage gegen den Halter dann ausgeschlossen, wenn der VR zumindest auch wegen der Halterhaftung erfolglos in Anspruch genommen worden war (W.-T. Schneider in Langheid/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 124 Rn 9; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 124 Rn 11; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 326, 329). Dies gilt unabhängig davon, ob – wie hier – der Geschädigte nicht nur gegen den VR, sondern auch gegen den Fahrer erfolglos vorgegangen war. Dies entspricht auch dem Zweck des § 124 Abs. 1 VVG, wonach der Haftpflichtversicherer nicht Gefahr laufen soll, trotz eines für ihn günstigen Urteils (hier: keine Einstandspflicht, auch nicht für den Halter) im Falle der Verurteilung seines Versicherungsnehmers aufgrund seiner Zahlungspflicht aus dem Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen zu werden (vgl. Senat, VersR 2008, 485 Rn 7 zu § 3 Nr. 8 PflVG).
[10] Dass hier im Vorprozess die Streithelferin zumindest auch als VR der Beklagten in Anspruch genommen worden war, hat das Berufungsgericht – insoweit von der Revision nicht angegriffen – festgestellt. Damit wirkt das rechtskräftige klageabweisende Urteil gegen die Streithelferin auch zugunsten der Beklagten.
[11] 2. Rechtsfehlerfrei ist ferner die Beurteilung des BG, dass die Rechtskraftwir...