Kommt da ein neuer Paukenschlag aus dem Saarland? Das OLG Saarbrücken hat, ohne über den Satz zur Auslagenerstattung hinaus nur ein Wort zur Begründung in der Sache zu verlieren, ein Verfahren mit einer Riegl-Messung nach § 47 OWiG eingestellt und dazu noch die Erstattung der notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt. Ein unverhoffter voller Erfolg für die Verteidigung und mit Sicherheit der Beginn einer neuen "Saarland-Welle", die die Tatgerichte in den anderen Bundesländern erreichen wird. Eine Begründung liefert immerhin die GenStA in ihrer Stellungnahme: Diese zieht aus der Rechtsprechung des Saarländischen VerfGH vom 5.7.2019 (NZV 2019, 414 m. Anm. Krenberger) den Schluss, dass keine Verwertbarkeit der Messung gegeben sei, wenn – wie hier – gar keine Daten gespeichert werden würden und ein Urteil einer (landes-)verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde.
Sowohl die Begründung der GenStA als auch die Entscheidung des OLG (die im Übrigen an sich verfahrensrechtlich zulässig ist, KK-OWiG/Mitsch OWiG § 47 Rn 24) sind bundeslandspezifisch zu sehen. Trotz des beherzten Widerstands des einzigen für saarländische Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Bußgeldgerichts in St. Ingbert wurden 2019 schon Messungen mit dem Gerät Traffistar S350 de facto zunichte gemacht. Und mittels der damals herangezogenen Argumente könnte nun im Saarland praktisch jedes Messgerät aus dem Verkehr gezogen werden. Andererseits entzieht sich ein OLG mit einer Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG seiner Verantwortung: Auch bei Anwendung des Opportunitätsprinzips müssen echte Sachgründe, keine bloß hypothetischen Vermutungen, vorliegen und diese sollten auch benannt werden, um eine Verfahrensbeendigung auf diese Weise zu rechtfertigen, allein schon, um eine mögliche fehlerhafte Bindungswirkung zu vermeiden (vgl. dazu BGHSt 18, 225, 226). Dies ist hier nicht geschehen, und das ist höchst bedenklich. Die Amtsgerichte werden wieder mit Standardschreiben überflutet werden, obwohl nur eine bundeslandspezifische Ansicht vertreten wird. Rechtssicherheit schafft die Entscheidung daher nicht.
Auch wenn eine Entscheidung des BVerfG zur Frage der Speicherpflicht bald kommen dürfte: Es ist mir ein Rätsel, weshalb man (1) in Kenntnis der einheitlich ablehnenden Rechtsprechung aller anderen Oberlandesgerichte, (2) trotz eines anderen Messgeräts als es vom Saarl VerfGH entschieden wurde und vor allem (3) – obwohl von keinem einzigen Gericht die Grundlagen des standardisierten Messverfahrens angezweifelt wurden – durch eine solche Entscheidung der Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens durch die Hintertür die Legitimation entzieht und dann nicht einmal den Mut hat, eine Senatsentscheidung herbeizuführen und eine Divergenzvorlage zu ermöglichen. Der BGH hat seine maßgebliche Rechtsprechung anhand einer LTI-Messung begründet. Dieses Messgerät hat – wie Riegl FG 21-P auch – noch nie Messdaten gespeichert, sodass ein solches Erfordernis nicht auf einmal ergänzt werden kann, ohne das standardisierte Messverfahren damit insgesamt in Frage zu stellen. Hinzu kommt, dass auch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 12.11.2020 (NZV 2021, 41 ff. m. Anm. Krenberger) das standardisierte Messverfahren nicht in Zweifel gezogen und nicht ein einziges Wort zur Frage der Notwendigkeit einer Datenspeicherung verloren hat. Diese (angebliche) Notwendigkeit der Speicherung wird zwar inzwischen bei nahezu jedem Messgerät seitens der Verteidigung, aber stets vergeblich zum Problem erklärt. Wenn man also trotz dieser bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, die durchaus auch die Ansicht eines Landesverfassungsgerichts beeinflussen könnte – selbst im Saarland – in vorauseilendem Gehorsam ein weiteres Messgerät für ungeeignet erklärt, ist das irritierend.
Wer weiß: vielleicht entscheidet das BVerfG in Kürze sogar im Sinne der saarländischen Auslegung und fordert ebenfalls die Datenspeicherung. Aber bis dahin sorgen solche Entscheidungen nur für noch mehr Konfusion im ohnehin bundesuneinheitlichen Ordnungswidrigkeitenrecht.
RAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 12/2021, S. 708 - 709