BGB § 249 Abs. 2, BGB § 252 S. 1, EStG § 2 Abs. 1 S. 1, EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, EStG § 26b
Leitsatz
Ein erwerbstätiger verheirateter Geschädigter, der mit seinem Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wird, kann von dem Schädiger, der ihm neben dem entgangenen Nettoverdienst die darauf anfallenden Steuern zu ersetzen hat, den Einkommensteuerbetrag ersetzt verlangen, der sich auf der Grundlage der Zusammenveranlagung ergibt (teilweise Aufgabe Senatsurteil vom 28.4.1970 – VI ZR 193/68, VersR 1970, 640).
BGH, Urt. v. 8.6.2021 – VI ZR 924/20
Sachverhalt
Die Klägerin wurde im Jahr 2002 bei einem Verkehrsunfall verletzt, für den die Beklagte dem Grunde nach voll einstandspflichtig ist. In einem Vorprozess wurde im Jahr 2014 rechtskräftig festgestellt,
"2. (…), dass die Beklagte verpflichtet ist, allen weiteren Verdienstausfallschaden der Klägerin über den 1.7.2013 hinaus zu ersetzen."
3. (…), dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle sich aus dem Verdienstausfall der Klägerin (…) sowie aus dem bereits bezahlten Nettoverdienstausfallschaden von 20.000 EUR ergebenden Steuern zu ersetzen.“
Die verheiratete und zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagte Klägerin machte geltend, im Jahr 2017 durch den in diesem Jahr von der Beklagten geleisteten Ersatz ihres Nettoverdienstausfallschadens einen Steuerschaden von 5.266,56 EUR erlitten zu haben. Die Beklagte hat hierauf 2.000 EUR gezahlt und bestritt, dass in einem darüber hinausgehenden Maß zu ersetzende Steuern angefallen seien.
Das Amtsgericht hat der auf Zahlung der Differenz von 3.266,56 EUR gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Landgericht ohne Erfolg. Die von der Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat der BGH zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[5] Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch nach Ziff. 3 des Tenors des im Vorprozess ergangenen Urteils zu. Danach habe die Beklagte der Klägerin den Steuerbetrag zu ersetzen, der bei der von den Eheleuten gewählten Zusammenveranlagung auf die Nettoentschädigung tatsächlich entfalle. Entgegen der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 28.4.1970 – VI ZR 193/68, VersR 1970, 640, 642, juris Rn 43) sei die Klägerin für die Ermittlung des Steuerschadens nicht (fiktiv) so zu behandeln, wie wenn sie allein zur Steuer veranlagt würde. Die Klägerin sei nach § 249 BGB vielmehr grundsätzlich so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Maßgeblich sei daher, dass die Klägerin nach ihren konkreten persönlichen Verhältnissen verheiratet sei und mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werde.
[6] Auf dieser Grundlage genügten die von der Klägerin zum Nachweis ihres Steuerschadens für das Jahr 2017 vorgelegten Unterlagen, nämlich der Steuerbescheid der Eheleute für das Jahr 2017 und die Bescheinigung des Finanzamts vom 25.2.2019, aus der sich die steuerliche Auswirkung der Entschädigungszahlungen für das Jahr 2017 in Höhe der Klageforderung ergebe.
II.
[7] Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Steuerschaden der Klägerin unter Berücksichtigung des Umstandes bestimmt, dass die Klägerin verheiratet ist und mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird.
[8] 1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich die Begründetheit der Klage allerdings nicht schon aus der im Vorprozess ausgesprochenen Feststellung, die Beklagte habe der Klägerin die sich aus den Nettoverdienstausfallzahlungen ergebenden Steuerbeträge zu ersetzen. Denn dies lässt, wie das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat, die hier allein im Streit stehende Frage nach der richtigen Methode zur Errechnung des zu ersetzenden Steuerschadens offen.
[9] 2. Die Maßgeblichkeit der von der Klägerin gewählten Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer folgt aber aus § 249 Abs. 2 Satz 1, § 252 Satz 1 BGB. Danach kann, wenn wegen Verletzung einer Person Schadensersatz zu leisten ist, der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, wovon auch der entgangene Gewinn umfasst ist. Für die vorliegende Fallkonstellation einer mit ihrem Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Geschädigten bedeutet dies, dass die Geschädigte von dem Schädiger, der ihr neben entgangenem Nettoverdienst die darauf anfallenden Steuern zu ersetzen hat, den Einkommensteuerbetrag ersetzt verlangen kann, der sich auf der Grundlage der Zusammenveranlagung ergibt.
[10] a) Allerdings hat der Senat mit dem genannten Urt. v. 28.4.1970 (VI ZR 193/68, VersR 1970, 640, 642, juris Rn 43) – für sich genommen gegenläufig – ausgeführt, dass eine tatsächlich mit ihrem Ehemann zusammenveranlagte Ehefrau nur den Steuerbetrag ersetzt verlangen könne, der sich ergäbe, wenn sie allein steuerlich veranlagt würde. Andernfalls sei der zu erstattende Betrag allein deshalb wesentlich höher als eine von der Geschädigten auf den fraglichen Teil ihres Einkommens an sich zu entrichtende Steuer, weil sie mit ihr...