Es handelt sich hier um eine der seltenen Entscheidungen des BVerfG im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens, die sich mit dem Anfall und der Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Auslagen befasst. Die in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung ist teilweise auch auf andere Verfahrensarten übertragbar, zumal die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO vom BVerfG entsprechend herangezogen wurden.

Dokumentenpauschale

Das BVerfG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1b) VV RVG nur berechnen kann, wenn er entweder vom Gericht – etwa nach § 23 Abs. 3 BVerfGG – zur Fertigung aufgefordert worden ist, was hier nicht der Fall war, oder wenn die Kopien und Ausdrucke aufgrund einer Rechtsvorschrift zu fertigen waren und der Zustellung oder Mitteilung an Gegner oder Beteiligte und Verfahrensbevollmächtigte dienten. Solche Rechtsvorschriften sind etwa §§ 131 Abs. 1, 133, 253 Abs. 5 ZPO, § 86 Abs. 5 VwGO, § 93 SGG oder §§ 64 Abs. 2, 77 Abs. 1 S. 3 FGO. Ist keine der in Nr. 7000 Nr. 1b) VV RVG aufgeführten Voraussetzungen für die Berechnung der Dokumentenpauschale erfüllt, kann die Pauschale für Mehrfertigungen von Schriftsätzen auch dann nicht berechnet werden, wenn dies der Entlassung des Gerichts dienen soll oder tatsächlich dient.

Fahrtkosten

Auch die Ausführungen des BVerfG zur Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten, die der Rechtsanwalt aufgewandt hat, um Einsicht in die Gerichtsakten nehmen zu können, sind durchaus auch auf den Zivilprozess übertragbar. Zwar wird im Regelfall dem in § 299 ZPO geregelten Akteneinsichtsrecht dadurch Rechnung getragen, dass dem Rechtsanwalt auf seinen Antrag von der Geschäftsstelle Abschriften übersandt werden (s. § 299 Abs. 1 ZPO). Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird die Akteneinsicht gem. § 299 Abs. 3 S. 1 ZPO von der Geschäftsstelle durch Bereitstellung des Akteninhalts zum Abruf oder durch Übermittlung des Akteninhalts auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Sowohl nach § 299 Abs. 1 ZPO als auch nach § 299 Abs. 3 S. 2 ZPO kann Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Prozessakten auf der Geschäftsstelle genommen werden. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn die Akten sehr umfangreich sind, in ihnen großformatige Pläne oder Zeichnungen enthalten sind, die mit dem normalen Gerichtskopierer nicht vervielfältigt werden können. Oder Gegenstand der Akten sind Muster, dreidimensionale Werke oder sonstige nicht kopierbare Unterlagen. In solchen Fällen greift auch in einem Zivilprozess die Entscheidung des BVerfG ein, nach der die Fahrtkosten des Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten zum Gericht zwecks Durchführung der Akteneinsicht notwendige und damit erstattungsfähige Kosten des Rechtsstreits sind.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Anwalt im Rahnen der Akteneinsicht bei Gericht überhaupt Geschäftsreisekosten entstanden sind. Dies erfordert nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG, dass das Gericht außerhalb der Gemeinde liegt, in der der Anwalt seine Kanzlei oder seine Wohnung hat. Der Rechtsanwalt mit Kanzlei in Berlin, der zu dem Berliner Gericht 40 km mit dem eigenen Pkw fährt, unternimmt danach keine Geschäftsreise und daher auch keine Fahrtkosten abrechnen. Demgegenüber kann der Rechtsanwalt mit Kanzlei in Mahlow, einer Gemeinde gerade außerhalb Berlins, für die Fahrt zum zuständigen Berliner Gericht Fahrtkosten abrechnen.

Der im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe tätige Rechtsanwalt sollte vor Antritt jeder Geschäftsreise beim Prozessgericht gem. § 46 Abs. 2 RVG die Feststellung beantragen, dass die geplante Reise erforderlich sei. Die positive Feststellung ist dann gem. § 46 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG für die Festsetzung der dem Anwalt aus der Staatskasse zustehenden Vergütung nach § 55 RVG bindend. Der mit dem Festsetzungsantrag nach § 55 Abs. 1 RVG befasste Urkundsbeamte der Geschäftsstelle kann dann den Antrag des Rechtsanwalts auf Festsetzung der Geschäftsreisekosten nicht mit der Begründung zurückweisen, die Reise sei nicht erforderlich gewesen. Für die negative Entscheidung des Prozessgerichts besteht zwar kleine vergleichbare gesetzliche Bindung, so dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auf den Festsetzungsantrag des beigeordneten Rechtsanwalts die Reisekosten für erforderlich halten und die Fahrtkosten festsetzen könnte. In der Praxis wird sich der Urkundsbeamte aber der Auffassung des Prozessgerichts anschließen und die Fahrtkosten nicht festsetzen. Wenn das Prozessgericht auf den nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG gestellten Antrag des Rechtsanwalts entscheidet, dass die Geschäftsreise nicht erforderlich sei, muss der Anwalt somit damit rechnen, dass er die Kosten für die gleichwohl unternommene Geschäftsreise aus der Staatskasse nicht vergütet erhält.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

zfs 12/2023, S. 695 - 700

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