StVG § 3 Abs. 1; FeV § 11 Abs. 8 § 20 § 22 § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und d § 46 Abs. 1 S. 1; Anlage 4 zur FeV Nr. 8.1 8.2; StGB § 316 Abs. 1 und 2; VwGO § 123 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Dies gilt im Fahrerlaubnisrecht angesichts der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer in besonderem Maße, da das Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge im Straßenverkehr mit erheblichen Gefahren für diese Rechtsgüter einhergeht, wenn der Betroffene nicht fahrgeeignet oder zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt ist. Ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache ist demnach zu verneinen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde von dem Fahrerlaubnisbewerber im Wiedererteilungsverfahren zu Recht die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt und dieser das Gutachten nicht beigebracht hat.
2. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer BAK unter 1,6 Promille genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne des i.S.d. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV ("Zusatztatsache") die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen (BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24.15, zfs 2017, 594). Das Fehlen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen bei einer Fahrt mit einer BAK von 1,1 ‰ oder mehr, ist eine aussagekräftige, auf Alkoholmissbrauch hinweisende Zusatztatsache, sofern dies aktenkundig festgestellt und dokumentiert worden ist. Hier ist zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen (BVerwG, Urt. v. 17.3.2021 – 3 C 3.20, zfs 2021, 474, 475).
3. Die Beendigung von Alkoholmissbrauch setzt nach Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV bzw. Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (v. 27.1.2014, VkBl S. 110, in der Fassung vom 17.2.2021, VkBl S. 198), die nach Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, eine stabile und gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus. Eine länger bestehende Trinkpause bietet für sich allein genommen noch keine ausreichende Gewähr für eine positive Verkehrsverhaltensprognose. (Leitsätze der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 16.10.2023 – 11 CE 23.1306
1 Sachverhalt
Der Antragsteller, dem das Landratsamt R. am 7.8.2015 eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L erteilt hatte, begehrt nach deren Entziehung deren Neuerteilung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Am 18.1.2022 ging beim Landratsamt ein polizeiliches Schreiben ein, wonach gegen den Antragsteller wegen einer Trunkenheitsfahrt am 25.11.2021 ermittelt wurde. Bei einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle habe der Antragsteller auf Frage verneint, alkoholische Getränke konsumiert zu haben. Nach Feststellung von Alkoholgeruch habe ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest um 0:22 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l ergeben. Ein Drogenschnelltest sei negativ verlaufen. Eine freiwillige Blutentnahme um 0:50 Uhr habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 ‰ ergeben. Da die Polizeibeamten den Antragsteller ab Beginn der Verkehrskontrolle bis zur Blutentnahme beaufsichtigt hätten, sei ein Nachtrunk auszuschließen. Während der Nachfahrt bis zur Kontrollörtlichkeit hätten keine und während der polizeilichen Maßnahmen keine starken alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt werden können. Der Denkablauf, das Verhalten und die Aussprache des Antragstellers seien normal gewesen. Zudem habe er den Anweisungen und dem Gesprächsverlauf klar folgen können. Zusammenfassend habe er einen leicht alkoholisierten Eindruck auf die Beamten gemacht, der keinen Rückschluss auf die festgestellte Alkoholisierung erlaubt habe. Während der kompletten Sachbearbeitung habe er sich kooperativ und einsichtig verhalten. Der Gang (geradeaus) des Antragstellers war nach dem ärztlichen Bericht sicher; auch die Finger-Finger-Prüfung und die Finger-Nase-Prüfung habe er sicher absolviert. Die Sprache sei deutlich gewesen und seine Pupillen seien unauffällig gewesen. Eine Pupillen-Lichtreaktion habe nicht festgestellt werden können. Der Denkablauf des Antragstellers sei geordnet, sein Verhalten beherrscht sowie seine Stimmung unauffällig gewesen. Ein äußerlicher Anschein von Alkoholeinfluss sei leicht bemerkbar gewesen.
Das AG Regensburg verurteilte den Antragsteller mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 4.2.2022, im Rechtsfolgenausspruch geändert durch Beschl. v. 2.3.2022, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und ordnete eine Sperrfrist von sieben M...