OWiG § 67; StPO § 44 S. 1 § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Zum Verschuldensmaßstab hinsichtlich einer rechtszeitigen Rechtsbehelfseinlegung bei Krankenhausaufenthalten. (Leitsatz der Redaktion)
AG Eilenburg, Beschl. v. 19.1.2023 – 8 OWi 953 Js 53064/22 jug (2)
1 Sachverhalt
Der Betroffenen wird mit Bußgeldbescheid ein Verstoß gegen die Sächsische-Corona-Notfall-Verordnung zur Last gelegt. Dieser Bescheid wurde der Betroffenen ausweislich der Postzustellungsurkunde am 31.3.2022 zugestellt. Mit Schreiben vom 13.4.2022, bei der Verwaltungsbehörde eingegangen am 19.4.2022, legte die Betroffene unter anderem gegen den oben genannten Bußgeldbescheid Einspruch ein. Nachdem die Betroffene mit Schreiben der Verwaltungsbehörde vom 19.4.2022 darauf hingewiesen wurde, dass ihr Einspruch verfristet eingegangen sei, sie jedoch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe, beantragte die Betroffene mit Schreiben vom 22.4.2022, bei der Verwaltungsbehörde eingegangen am 28.4.2022, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies mit einem Krankenhausaufenthalt im Universitätsklinikum Leipzig. Sie sei dort vom 4.4.2022 bis 13.4.2022 in stationärer Behandlung gewesen. Zum Nachweis hierfür legte sie eine Aufnahmebescheinigung vor. Die Verwaltungsbehörde hat dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben. Mit gerichtlichem Schreiben wurde die Betroffene zur beabsichtigten Entscheidung des Gerichts angehört. Zugleich wurde sie aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen und dies durch Vorlage entsprechender Belege nachzuweisen, wie lange sie sich in stationärer Behandlung befunden haben soll und ob es sich dabei um einen geplanten Krankenhausaufenthalt oder um einen Notfall gehandelt habe. Eine Reaktion der Betroffenen erfolgte bis dato nicht. Das AG hat den Einspruch der Betroffenen als unzulässig verworfen.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die Entscheidung beruht auf § 70 Abs. 1 OWiG. Danach hat das Gericht (in jeder Lage des Verfahrens) den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wenn die Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs nicht beachtet sind. Ungeachtet der Vorentscheidung Verwaltungsbehörde oder gar einer gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs hat das mit der Sache befasste Gericht eine eigene Entscheidung über dieselbe Verfahrensvoraussetzung zu treffen. Eine anderslautende Vorentscheidung bindet die spätere Entscheidung gerade nicht (KK-OWiG/Ellbogen, § 70 Rn 2 f.).
Der Einspruch der Betroffenen ist unzulässig, weil er nicht fristgerecht eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist nicht zu gewähren ist.
1. Wie auch die Verwaltungsbehörde zutreffenderweise festgestellt hat, wurde der Einspruch der Betroffenen verspätet eingelegt. Der Bußgeldbescheid des Landkreises […] vom 29.3.2022 wurde der Betroffenen am 31.3.2022 zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG) lief somit zum 14.4.2022 ab, sodass die Einspruchseinlegung am 19.4.2022 verspätet erfolgte.
2. Die Verwaltungsbehörde hat der Betroffenen jedoch zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da der (wohl) zulässige Wiedereinsetzungsantrag der Betroffenen jedenfalls unbegründet ist.
Gemäß § 52 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. StPO kann ein Betroffener innerhalb einer Woche ab Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung beantragen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ihm auf Antrag hin zu gewähren, wenn er ohne Verschulden daran verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind dabei mit der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag alle Tatsachen zur Begründung des Antrages zu benennen und glaubhaft zu machen. Eigenes Verschulden an der Fristversäumung schließt die Wiedereinsetzung aus. Maßgebend ist die dem Antragsteller mögliche und zumutbare Sorgfalt (Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 65. Aufl., 2022, § 44 Rn 11).
Die Betroffene hat entgegen § 45 Abs. 2 StPO keinen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus dem sich ihr fehlendes Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) an der Versäumung der Frist ergibt (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis BGH, Beschl. v. 27.6.2017 – 2 StR 129/17, NStZ-RR 2017, 285). Vielmehr trifft die Betroffene schon nach ihrem Vorbringen eigene Schuld daran, dass sie den Einspruch nicht fristgemäß eingelegt hat. Denn die Einspruchsfrist lief – wie der Betroffenen infolge der Zustellung am 31.3.2022 bekannt war – am 14.4.2022 ab.
Zwar darf eine Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden. Allerdings hat der Rechtsmittelführer dabei den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit die Rechtsmittelerklärung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist gegenüber der zuständigen Stelle abgegeben wird (BGH, Beschl. v. 14.7.2021 – 3 StR 185/21, NStZ-RR 2021, 344).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist ein fehlendes Verschulden der Betroffenen an der Versäumung der Frist weder in ausreichender Form vorgetragen noch glaubhaft gemacht. A...