AHB 84 § 4 I Nr. 6 Abs. 3
Leitsatz
Verpflichtet sich ein VN gemeinsam mit einem mit ihm in einer ARGE verbundenen Dritten, arbeitsteilig ein Bauwerk zu errichten, so stellt die Reparatur einer von seinem Subunternehmer vor Abnahme beschädigten Sache eine Erfüllungsleistung dar.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – IV ZR 170/10
Sachverhalt
Die KI., ein Bauunternehmen, begehrt Deckungsschutz aus einer bei der Bekl. gehaltenen Betriebshaftpflichtversicherung, der die AHB 84 zugrunde liegen. Deren § 4 I Nr. 6 Abs. 3 bestimmt:
"Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung ist nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung, auch dann nicht, wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, …"
Gemeinsam mit der Firma M.B. hatte die Kl. vom Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) den Zuschlag unter anderem für Brückenbauarbeiten im Zuge der Bundesstraße 269 erhalten. Beide Unternehmen schlossen sich daraufhin zu einer ARGE zusammen und vereinbarten intern, dass im Rahmen jeweils selbständiger Nachunternehmerverträge die Kl. den Erd- und die M.B. den Betonbau übernehmen sollte.
Nachfolgend beschädigte ein Mitarbeiter einer von der KI. beauftragten Subunternehmerin bei Nassbaggerarbeiten eine Bohrpfahlwand, die nach der Behauptung der KI. von der Mitgesellschafterin errichtet worden war. Unter anderem wegen dieses Schadens verweigerte der LfS die Abnahme des Gesamtbauwerks. Die Kl. beseitigte den Schaden an der Bohrpfahlwand selbst. Sie meint, die Bekl. müsse ihr die dabei entstandenen Kosten ersetzen.
Die Bekl. verweigert Versicherungsleistungen unter anderem unter Berufung auf die oben zitierte Erfüllungsschadenklausel.
Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt die Kl. ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
2 Aus den Gründen:
[6] “… II. … Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
[7] 1. Nach Auffassung des BG ist die Bekl. infolge der Erfüllungsschadenklausel des § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB 84 leistungsfrei. Ob eine vertragliche Erfüllungsleistung i.S.d. Klausel vorliege, hat es in Übereinstimmung mit der st. Senatsrspr. (Senat VersR 2005, 110 unter c, cc m.w.N.; VersR 1985, 1153) danach beurteilt, ob der Geschädigte sein unmittelbares Interesse an einem vertraglich geschuldeten Leistungsgegenstand (vgl. Senat VersR 2009, 107 Rn 15, 17) geltend mache. Für solche Aufwendungen bestehe kein Versicherungsschutz. Die Ausschlussklausel lasse nur Schäden unberührt, die über das Erfüllungsinteresse hinausgingen. Bei dessen Ermittlung dürfe nicht isoliert auf die werkvertragliche Verpflichtung der Kl. zu Erdbauarbeiten abgestellt werden, weil sich die vertraglichen Beziehungen zwischen der ARGE und der Kl. darin nicht erschöpften. Für die versicherungsrechtliche Einordnung eines Anspruchs sei nicht auf die Anspruchsgrundlage abzustellen, auf die sich der Geschädigte stütze, vielmehr sei die Unterscheidung zwischen Erfüllung und Schadensersatz anhand von Inhalt und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten zu treffen. Hier sei deshalb auch die Präambel des ARGE-Vertrages bedeutsam, nach der sich die beiden Gesellschafterinnen wechselseitig verpflichtet halten, im Verhältnis ihrer Beteiligung ihre volle unternehmerische Leistung zur Erreichung des gesellschaftlichen Zwecks einzusetzen und sich hierbei gegenseitig zu unterstützen. Dies und auch der in § 2.3 des ARGE-Vertrages beschriebene Gesellschaftszweck seien auf eine gemeinsame Durchführung des vom LfS vergebenen Auftrags gerichtet gewesen. Vertragspflichten, die sich unmittelbar darauf bezögen, zählten zur vertraglich geschuldeten Hauptleistungspflicht und beträfen nicht lediglich das Integritätsinteresse der Mitgesellschafterinnen. Stehe – wie hier – die Beschädigung des Werks in Rede, dessen Herstellung gemeinsamer Zweck der ARGE sei, sei mithin die Erfüllung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht betroffen. Die im Innenverhältnis der Mitgesellschafterinnen vereinbarte Arbeitsteilung in die Lose Erd- und Betonbau und die insoweit abgeschlossenen Nachunternehmerverträge änderten daran nichts.
[8] 2. Anders als das BG meint, sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt. …
[9] Der Senat hat bereits im Urt. v. 19.11.2008 (VersR 2009, 107 Rn 15) dargelegt, dass es sich bei der Voraussetzung der “an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung' i.S.v. § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB 84 um einen eigenständigen versicherungsrechtlichen Begriff handelt, der losgelöst davon ist, wie die vom Geschädigten erhobenen Ansprüche werkvertraglich einzuordnen sind. Für die Voraussetzung “Erfüllung von Verträgen' gilt nichts anderes. Zu Recht hat das BG deshalb dem Umstand keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass sich die Kl. neben der gemeinsam mit der Mitgesellschafterin gegenüber dem LfS übernommenen Verpflichtung zur Errichtung der Brücke als Ganzes in einem gesonderten Nachunternehmervertrag gegenüber der ARGE und der Mitgesellschafterin lediglich zur Erbringung der Erdarbeiten verpflichtet hatte, ...