Die Bedeutung des Sachverständigen in der Kfz-Regulierung wird deutlich, wenn betrachtet wird, welche Anstrengungen im Rahmen des Unfallmanagements eintrittspflichtige Versicherungen unternehmen, um zu verhindern, dass der Geschädigte einen solchen unabhängigen Sachverständigen beauftragt. Er ist es, der einen Großteil des Sachschadens bestimmt und damit errechnet, was dem Geschädigten zusteht und was der Schädiger zu bezahlen hat. Ein Schadenmanagementkonzept, das darauf ausgerichtet ist, einen objektiven und unabhängigen Sachverständigen aus der Regulierung fernzuhalten, ist darum unseriös. Denn es ist darauf ausgerichtet, zu verhindern, dass der Geschädigte seinen tatsächlichen Schaden erfährt und reguliert bekommt.
Leider werden häufig Sachverständige qualitativ ihrer bedeutsamen Aufgabe nicht gerecht, ohne dass der Geschädigte die Möglichkeit hat, dies zuvor zu erkennen. Geschuldet ist dies der Tatsache, dass der Begriff des Sachverständigen nicht geschützt ist. So kann jeder, der sich Kfz-Meister nennt, die Möglichkeit nutzen und sich Sachverständiger nennen. Das hier Qualifizierung, Überwachung und Kontrolle auf der Strecke bleiben, liegt auf der Hand. Der Empfehlung des 50. Verkehrsgerichtstages 2012 folgend, ist daher der Erlass einer Berufsordnung für Sachverständige der Bereiche Kraftfahrzeugschäden und -bewertung zu fordern, welche Regelungen über Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen trifft und Mindeststandards für Unfallanalyse und Schadengutachten definiert.
Wir Anwälte kennen den Begriff der Interessenkollision. Darum wissen wir, dass wir nicht zugleich Schädiger und Geschädigten eines Verkehrsunfalls vertreten dürfen und nur einseitig Parteiinteressen wahrnehmen können. Darum ist es selbsterklärend schwierig als Sachverständiger auf der einen Seite nur vom Geschädigten oder vom Schädiger beauftragt zu werden, andererseits jedoch in dieser Situation das gewünschte unabhängige und neutrale Gutachten zu erstellen. Darum sind geeignete Maßnahmen zu fordern, die es verlässlich erscheinen lassen, dass das Gutachtenergebnis objektiv und unabhängig ist. Zuvorderst erscheint es notwendig, dass der von einem Geschädigten beauftragte Sachverständige diesen zugleich davon in Kenntnis setzt, wenn er einer Organisation angehört, die regelmäßig oder gar überwiegend von Versicherungen beauftragt wird. Dabei wird er zugleich mitzuteilen haben, warum sich die einseitige Interessenwahrnehmung für Versicherungen im konkreten Fall nicht zu Lasten der Unabhängigkeit und Neutralität auswirken. Dass z.B. Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung ebenso wenig in ein objektives Gutachten gehören wie Mitteilungen zu alternativen Reparaturmethoden oder Reparaturwerkstätten und Annahme derer Stundenverrechnungssätze etc. erscheint selbstverständlich, ist jedoch häufig zu beobachten. Sollten Weisungen von einer an der Regulierung beteiligten Partei den Inhalt und das Ergebnis eines Gutachtens beeinflussen, sind solche "Vorgaben" explizit darzustellen. Überhaupt nicht erst in ein Gutachten aufzunehmen sind rechtswidrige Verbandsvorgaben. Beispielhaft sind hier nur Vorgaben zur Ermittlung des Restwertes zu nennen, die der Rechtsprechung des BGH widersprechen. Der Verkehrsgerichtstag hat dies im Rahmen seiner Empfehlungen – übrigens ohne Gegenstimmen – auf den Punkt gebracht: "Jegliche Einflussnahme auf den Inhalt des Gutachtens ist zu unterlassen".
Der Unfallregulierungsmarkt ist auch bei Sachverständigen hart umkämpft. Dies darf auf der einen Seite jedoch nicht dazu führen, dass Sachverständige ihre Leistungen zu Preisen anbieten, die so niedrig sind, dass das Ergebnis kein qualitativ ausreichendes Werk mehr darstellen kann. Streitigkeiten um die angemessene Höhe von Sachverständigenhonorar können dadurch verhindert werden, dass eine Gebührenordnung für Sachverständige geschaffen wird. Dies kann jedoch nicht durch Veröffentlichungen von Vereinbarungen oder Gesprächsergebnissen einzelner Berufs- oder Interessenverbände geschehen, sondern ist Aufgabe des Gesetzgebers. Auf der anderen Seite sind aber auch sog. Kick-Back-Vergütungen abzulehnen. Hier handelt es sich um nichts anderes als Schmiergelder, die für die Vermittlung von Gutachtenaufträgen angeboten werden.
Wird dies alles beachtet, wird schließlich der Geschädigte mit höherer Wahrscheinlichkeit als heute, frei einen Sachverständigen seiner Wahl beauftragen können, der seinen Schaden unabhängig und objektiv bewertet. Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des BGH und muss daher das Ziel der Bemühungen im Interesse des Geschädigten sein. Dass dann der Geschädigte bei Ausübung seiner Wahl des Sachverständigen keine Marktforschung betreiben und sich erst Recht nicht an den Vorstellungen des Schädigers orientieren muss, liegt auf der Hand.
Christian Janeczek, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Dresden