ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Grds. kann jeder kostenrechtlich obsiegende Streitgenosse die Kosten eines eigenen Anwalts erstattet verlangen (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO); mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf, gilt etwas anderes nur in besonderen – atypischen – Konstellationen.
BGH, Beschl. v. 13.10.2011 – V ZB 290/10
Sachverhalt
Der Kl. hatte die drei beklagten Konzerunternehmen im Zusammenhang mit dem Kauf von Eigentumswohnungen vor dem LG W. u.a. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das LG hatte der Klage stattgegeben. Das OLG F. hat sie durch rechtskräftig gewordenes Urt. kostenpflichtig abgewiesen. Im ersten Rechtszug hatten sich die Bekl. durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten lassen. In der Berufungsinstanz hielten die Bekl. zu 1 und 2 an diesem Anwalt fest während sich die Bekl. zu 3 dort von einem eigenen Rechtsanwalt vertreten ließ. Dies begründete die Bekl. zu 3 damit, das Vertrauensverhältnis zu dem in erster Instanz tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten sei erschüttert gewesen.
Die Rechtspflegerin des LG hat die Anwaltskosten aller 3 Bekl. antragsgemäß festgesetzt. Dem auf die Erstattung der zweitinstanzlichen Kosten gerichteten Antrag der Bekl. zu 3 hat sie dabei mit der Begründung stattgegeben, diese habe für den Anwaltswechsel triftige Gründe vorgetragen. Die gegen diese Kostenfestsetzung gerichtete Beschwerde des Kl. hat das OLG zurückgewiesen. Die zugelassenen Rechtsbeschwerde des Kl. hatte ebenfalls keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[3] “… Das Beschwerdegericht meint, es sei von dem Grundsatz auszugehen, wonach es jedem Streitgenossen auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten gestattet sei, sich durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalles nachvollziehbare Gründe für die Beauftragung eines eigenen Prozessbevollmächtigten nicht ersichtlich seien. So verhalte es sich hier jedoch nicht. Zwar handle es sich bei den Bekl. um Konzernunternehmen. Die Bekl. zu 3 habe jedoch unbestritten vorgetragen, sie habe dem in erster Instanz tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten nicht mehr vollständig vertraut, sondern es für möglich gehalten, dass diesem der Vorwurf einer fehlerhaften Sachbehandlung zu machen sei. Deshalb könne der Anwaltswechsel nicht als sachwidrig bewertet werden.
[4] III. Das Beschwerdegericht hat die Erstattungsfähigkeit der von der Bekl. zu 3 geltend gemachten Kosten zu Recht bejaht.
[5] 1. Die Bekl. zu 3 traf keine kostenrechtliche Obliegenheit, sich auch im Berufungsrechtszug von einem gemeinschaftlichen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
[6] a) § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO belegt, dass zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) in aller Regel auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gehören. Sind für die kostenrechtlich obsiegende Partei dagegen in derselben Instanz mehrere Prozessbevollmächtigte tätig geworden, sind nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Anwaltskosten grds. nur insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen. Mit Blick auf Streitgenossen wird damit etwa der Fall erfasst, in dem der in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer für sich und den Halter einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten bestellt, der Halter aber zudem einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Rechtsverteidigung beauftragt (vgl. dazu und zu Ausnahmekonstellationen BGH NJW-RR 2004, 536 = RVGreport 2004, 188 (Hansens) = JurBüro 2004, 322). Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen sich ein Streitgenosse entweder von vornherein oder aber in einem höheren Rechtszug nur (noch) durch einen einzigen (eigenen) Anwalt vertreten lässt. Da die Partei nicht (mehr) durch mehrere Rechtsanwälte vertreten wird, verbleibt es im rechtlichen Ausgangspunkt bei der von § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO angeordneten Erstattungsfähigkeit (jedenfalls im Ergebnis ebenso BGH zfs 2009, 283 m. Anm. Hansens = RVGreport 2009,153 (Hansens) = AGS 2009, 306; vgl. auch BVerfG NJW 1990, 2124; Henssler/Deckenbrock, MDR 2005, 1321, 1326); ansonsten hätte es der Ausnahmeregelung des § 50 WEG nicht bedurft, wonach Wohnungseigentümern grds. nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten sind. Das hindert jedoch nicht, dem in der Regelung des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken Rechnung zu tragen. Denn jedenfalls in Verbindung mit der in Abs. 1 S. 1 der Vorschrif allgemein zum Ausdruck gekommenen Obliegenheit von Prozessparteien, die Kosten so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH AGS 2007, 541 = RVGreport 2007, 309 (Hansens) = NJW 2007, 2257), zeigt die Norm, dass der Erstattungsfähigkeit auch von Rechtsanwaltskosten Grenzen gesetzt sind und ein Streitgenosse nicht stets die Kosten eines eigenen Anwalts erstattet verlangen kann (vgl. auch BGH zfs 2009, 283).
[7] b) Bei der Beantwortung der Frage, i...