“… Das LG hat einen Anspruch der KI. in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme abzüglich Selbstbeteiligung zu Recht bejaht.
2. Die Bekl. ist vorliegend auch nicht aufgrund einer Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls leistungsfrei geworden (§ 28 Abs. 2 VVG), Voraussetzung hierfür ist, dass die KI. mindestens grob fahrlässig oder aber vorsätzlich ihre Aufklärungspflicht verletzt hat, indem sie falsche Angaben gemacht hat. Hinsichtlich der Angaben zum dritten Fahrzeugschlüssel sowie dem Zeitpunkt der letzten Benutzung und Abstellen des Fahrzeugs kann dahinstehen, ob ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverstoß vorliegt. Denn diese Umstände hatten ersichtlich keinen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg der polizeilichen Fahndung oder aber die Feststellungen der Bekl. zum Vorliegen eines Versicherungsfalls oder die Höhe der Versicherungsleistung. Soweit K. unzweifelhaft objektiv falsche Angaben hinsichtlich der Laufleistung des Pkw gemacht hat, liegt eine Obliegenheitsverletzung grds. vor. Eine derartige Obliegenheitsverletzung ist auch grds. geeignet, Auswirkungen auf das Regulierungsverhalten der Bekl., also die Feststellungen zum Umfang der Versicherungsleistung zu haben. Es kann hier aber dahinstehen, ob dieses Verhalten als grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich anzusehen ist. Denn die KI. hat den Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 WG erbracht, sodass die Bekl. vorliegend nicht leistungsfrei geworden ist.
Es ist rechtlich unerheblich, ob seitens der Bekl. bereits Berechnungen zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs durchgeführt wurden, welche zu einem höheren Wert geführt haben, bevor der Bekl. der zutreffende Zählerstand bekannt war. Jedenfalls noch vor der endgültigen Entscheidung über die auszuzahlende Versicherungssumme war der Bekl. aufgrund der Auslesung der Schlüssel die höhere Fahrleistung und damit auch die Herabsetzung des Wiederbeschaffungswerts bekannt, sodass sie die Auswirkung der höheren Fahrleistung ohne Weiteres berücksichtigen konnte. Die Obliegenheitsverletzung ist daher ohne Auswirkung geblieben, der Bekl. ist durch das Verhalten der KI. keinerlei Nachteil entstanden.
Entgegen der Auffassung der Bekl. kommt es im Rahmen des § 28 Abs. 3 S. 1 VVG gerade nicht mehr auf eine generelle Geeignetheit an, Versicherungsinteressen zu gefährden. Ebenso wenig ist der Schutzzweck der Obliegenheit zu berücksichtigen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist allein darauf abzustellen, ob sich die Obliegenheitsverletzung objektiv ausgewirkt hat oder nicht. Die Vorraussetzungen für eine Leistungsfreiheit wurden nach dem Wortlaut durch die Neufassung des VVG wesentlich geändert. Die Relevanzrechtsprechung des BGH beruhte auf der Erwägung, die völlige Leistungsfreiheit des VN und damit das Alles-oder-nichts-Prinzip sei bei vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen, die folglos geblieben sind, eine zu harte Strafe für den VN. Durch die Anwendung der Grundsätze der Relevanzrechtsprechung würde hier die ursprüngliche Intention der Relevanzrechtsprechung, die harte Sanktion der Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung abzumildern, ins Gegenteil verkehrt (vgl. KG VersR 2011, 789). Soweit die Bekl. ihre Auffassung auf die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs stützt, ergibt sich aus dem vollständigen Text der Begründung, dass die von der Bekl. vertretene Interpretation ersichtlich durch den Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Denn in S. 3 wird ausgeführt: “Dies erscheint sachlich gerechtfertigt, da der VN keinen Nachteil erleidet, wenn der VN nachweist, dass seine Obliegenheitsverletzung irrelevant ist'. Die Einschränkung, dass der Kausalitätsgegenbeweis nicht zulässig ist, sofern der VN arglistig handelt, wäre auch überflüssig, wenn es auf die generelle Relevanz des Verstoßes ankommen würde. Durch die Regelung in § 28 Abs. 3 S. 2 VVG hat der Gesetzgeber gezeigt, dass nur der betrügerisch handelnde VN bei einem folgenlosen Verstoß nicht schützenswert ist. Die Auffassung der Bekl. wird lediglich von Langheid vertreten (Langheid NJW 2007, 3665). Die übrige Literatur steht einheitlich auf dem Standpunkt, dass es nur noch auf die objektive Auswirkung des Verstoßes ankommt (so: Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 28 Rn 143. … Dieser Auffassung ist auch das KG im Beschl. v. 9.11.2010 gefolgt (VersR 2011, 789).
3. Dem Kausalitätsgegenbeweis der KI. steht schlussendlich nicht § 28 Abs. 3 S. 2 WG entgegen. Die Bekl. hat nicht den ihr obliegenden Nachweis dafür erbracht, dass die KI. eine vertragliche Obliegenheit arglistig verletzt hat. Arglist des VN erfordert mindestens bedingten Vorsatz bezüglich der Verletzung der Obliegenheit und zusätzlich mindestens bedingten Vorsatz hinsichtlich einer für den VN nachteiligen Auswirkung der Obliegenheitsverletzung. Der VN muss mit der vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheit einen gegen die Interessen des VN gerichteten Zweck verfolgen (Wandt in Langheid/Wandt, MünchKom VVG, § 28 Rn 3...