Der Entscheidung des OLG Celle, das die Revision zugelassen hat, ist zuzustimmen.

I. Geschäftsgebühr in Verkehrsunfallsachen

Für die außergerichtliche Regulierung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalls steht dem damit beauftragten Rechtsanwalt eine 1,3 Geschäftsgebühr zu, so BGH zfs 2007, 102 m. Anm. Hansens = RVGreport 2007, 21 = AGS 2007, 28 m. Anm. Schons = AnwBl. 2007, 154. Dies wird von den Instanzgerichten zunehmend ebenso gesehen, so dass die früheren amts- und landgerichtlichen Entscheidungen des Inhalts, der Rechtsanwalt sei mit einer 0,8 Geschäftsgebühr noch gut bedient, nur noch historische Bedeutung haben.

In seinem Urt. v. 13.1.2011, zfs 2011, 465 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011,136 (Hansens) = AnwBl. 2011, 402, in dem es um die Vergütung des Rechtsanwalts für dessen vorgerichtliche Tätigkeit vor Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage ging, hatte der IX. ZS des BGH die von dem Rechtsanwalt berechnete 1,5 Geschäftsgebühr zugesprochen, weil diese noch innerhalb der Toleranzgrenze von 20 % liege. Deshalb sei die anwaltliche Gebührenbestimmung der gerichtlichen Überprüfung entzogen.

Diese zugegeben anwaltsfreundliche Entscheidung des BGH ist in der Literatur, s. Hansens AnwBl. 2011, 567, 568 auch von Seiten der Anwaltschaft, s. hierzu Schons AGS 2011, 132 f. und 538 f. und von den Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern, s. hierzu v. Seltmann RVGreport 2011, 290 als unzutreffend bezeichnet worden. Ob der Rechtsanwalt eine die Schwellengebühr von 1,3 übersteigende Gebühr berechnen darf, ist keine Frage des ihm in § 14 Abs. 1 RVG bei der Bestimmung von Rahmengebühren eingeräumten Ermessens, sondern hängt allein davon ab, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG – umfangreiche oder schwierige Anwaltstätigkeit – erfüllt sind. Das Vorliegen dieser gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen muss im Rechtstreit über die Anwaltsvergütung vom Gericht überprüft werden. Trägt der Rechtsanwalt hierzu nichts vor, so ist seine Klage hinsichtlich der den Gebührensatz von 1,3 übersteigenden Geschäftsgebühr nach 2300 VV RVG unschlüssig. Denn selbst wenn die übrigen Umstände – wie die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers oder die Bedeutung der Angelegenheit – ganz überdurchschnittlich wären, kommt eine Überschreitung der Schwellengebühr nur dann in Betracht, wenn die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Erschreckend, dass der für Anwaltshonorarklagen zuständige IX. ZS des BGH diese Gesetzeslage nicht erkannt hat.

Deshalb hat sich das OLG Celle zu Recht dieser Auffassung des BGH nicht angeschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kl. die vom OLG zugelassene Revision trotz des geringen Streitbetrags auch einlegt. Diese Revision käme dann allerdings zu dem für Ansprüche aus Verkehrsunfällen zuständigen VI. ZS des BGH, der dann die Sache gem. § 132 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen vorlegen müsste, wenn er bei richtiger Gesetzesanwendung von der Auffassung des IX. ZS abweichen wollte. Dies wäre nur dann entbehrlich, wenn der IX. ZS des BGH an seiner unrichtigen Auffassung nicht mehr festhalten würde.

II. Ausblick auf das 2. KostRMoG

Das Bundesministerium der Justiz hat Ende 2011 den Entwurf eines 2. KostRMoG vorgelegt, durch dessen Art. 8 nicht nur die anwaltlichen Gebühren allgemein angehoben werden, sondern auch viele Bestimmungen des RVG und des VV RVG geändert werden sollen, s. ausführlich Hansens RVGreport 2012, 2 ff. Dieser Entwurf sieht auch entscheidende Änderungen des die Bestimmung von Rahmengebühren betreffenden § 14 RVG vor, dessen Abs. 1 folgende Fassung erhalten soll:

Zitat

"Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach billigem Ermessen. Daneben können im Einzelfall besondere Umstände sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers angemessen berücksichtigt werden. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, sind die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber und das Haftungsrisiko zu berücksichtigen."

Diese vorgesehene Neuregelung hat ganz erhebliche nachteilige Auswirkungen.

In § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO war geregelt, dass der Anwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insb. der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen bestimmt. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG in der derzeitigen Fassung hat hieran lediglich insoweit etwas geändert, als der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei der Aufzählung der Kriterien an den Anfang gestellt wurden.

Von dieser Systematik nimmt § 14 Abs. 1 RVG-E Abstand. Der Entwurf sieht nunmehr vor, dass Rahmengebühren im Regelfall nur nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt werden. Andere Umst...

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