ZPO § 139 Abs. 4 S. 2
Leitsatz
Die Erteilung eines aufgrund des § 139 ZPO gebotenen Hinweises kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden, sodass eine Vernehmung der Mitglieder des Prozessgerichts über die Erteilung des gebotenen rechtlichen Hinweises nicht statthaft ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 30.6.2011 – IX ZR 35/10
Sachverhalt
Die Kl. betrieb eine Bimssteinfertigungsanlage auf ihrem Grundstück. Sie beabsichtigte, beide zu verkaufen und beauftragte den Bekl. zu 3) als Makler sowie den Bekl. zu 1), einen Rechtanwalt, dem sie Handlungsvollmacht und Verhandlungsvollmacht mit der Einschränkung erteilte, dass bei entsprechenden Kaufangeboten die Zustimmung nur in Absprache mit der Kl. erfolgen dürfe. Die Kl. veräußerte, vertreten durch den Bekl. zu 1), die Anlage für 30.000 EUR an ein von dem Bekl. zu 2) vertretenes Unternehmen. Die Kl. hat u.a. die Verurteilung des Bekl. zu 1) zum Schadensersatz geltend gemacht und hierzu ausgeführt, der Bekl. zu 1) habe die Anlage ohne ihre Zustimmung zum Preis von lediglich 30.000 EUR verkauft, obwohl er den wesentlich höheren Wert der Anlage gekannt habe. Die Bekl. hätten kollusiv zusammengewirkt, um die Kl. zu schädigen. Klage hiergegen und gegen das klageabweisende Urt. blieben erfolglos. Das BG hat ausgeführt, aufgrund der von ihm durchgeführten Vernehmung der Mitglieder des Prozessgerichts erster Instanz sei es davon überzeugt, dass das LG die Kl. darauf hingewiesen habe, sie sei nunmehr darlegungs- und beweispflichtig für ihre Behauptung, der Bekl. zu 1) habe den Kaufvertrag ohne ihre ausdrückliche Zustimmung abgeschlossen. Ihr erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemachtes Vorbringen, wonach sie am Tage der notariellen Beurkundung kein Telefongespräch mit dem Bekl. zu 1) geführt habe, werde nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[3] "Die gegen den Bekl. zu 3) gerichtete Beschwerde führt zur Zulassung der Revision sowie zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das BG (§ 544 Abs. 7 ZPO)."
[4] 1. Das BG hat mit der Zurückweisung des Beweisantritts der Kl. deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ihm war es verwehrt, zur Frage Beweis zu erheben, ob das LG die Kl. auf deren Darlegungs- und Beweislast hingewiesen hat.
[5] Nach der Vorschrift des § 139 Abs. 4 S. 2 ZPO kann die Erteilung rechtlicher Hinweise nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Sofern diese die Erteilung eines Hinweises nicht hinreichend dokumentieren, gilt dieser als nicht erteilt (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518). Wie bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Vorschrift ausführt (BT-Drucks 14/4722, S. 78), darf daher kein Beweis erhoben werden zur Frage, ob die Vorinstanz einen Hinweis erteilt hat (OLG Frankfurt. a.M., NJW-RR 2004, 428, 429; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rn 105; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 139 Rn 28). Die vom BG aus der Vernehmung der Mitglieder des Prozessgerichts der ersten Instanz und der übrigen benannten Zeugen gewonnene Überzeugung, wonach das LG in der mündlichen Verhandlung v. 5.3.2008 den erforderlichen Hinweis erteilt habe, trägt daher die Zurückweisung des angeführten Beweisantritts im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht.
[6] b) Die Entscheidung des BG ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 5.3.2008, wonach die Kammer “die behauptete Pflichtverletzung, insb. im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislasten' erörtert habe, wird die Erteilung eines ausreichenden Hinweises nicht gem. § 139 Abs. 4 S. 2 ZPO durch den Akteninhalt nachgewiesen.
[7] Das Gericht genügt seiner Hinweispflicht nicht, wenn es lediglich allgemeine oder pauschale Hinweise erteilt (BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 34/04, BGHZ 164, 167, 173). Ausnahmsweise kann ein bloßer Protokollvermerk über die Erörterung der Sach- und Rechtslage als Dokumentation des Hinweises auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit ausreichen, wenn sich die Erteilung eines solchen Hinweises auch aus dem anschließenden Schriftsatz einer Prozesspartei, ergibt (BGH, Urt. v. 13.7.2005 – IV ZR 47/04, FamRZ 2005, 1555, 1556). Vorliegend lässt sich weder aus dem angeführten Verhandlungsprotokoll noch aus dem sonstigen Akteninhalt verlässlich erschließen, das LG habe einen ausreichenden Hinweis erteilt. Die protokollierte Erörterung der Darlegungs- und Beweislast belegt nicht, dass die Kl. darauf hingewiesen wurde, nach dem nun erfolgten substantiierten Vortrag des Bekl. zu 1 habe nunmehr die Kl. die von ihr behauptete negative Tatsache darzulegen und nachzuweisen. Auch ergeben sich aus der Akte keine weiteren Anzeichen dafür, dass das LG hierauf hingewiesen hat.
[8] 2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Dies ist dann anzunehmen; wenn nicht auszuschließen ist, das Gericht hätte bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden (BGH, Urt. v. 18.7.2003 – V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47). Hätte das BG den weiter...