I. Aktuelle Diskussion
Der Begriff der "erhöhten Kraftanstrengung" wird aktuell unter dem Aspekt einer möglichen Intransparenz diskutiert.
Begründet wird dieser Vorstoß damit, dass bereits der Vergleichsmaßstab, an dem die Erhöhung der Kraftanstrengung gemessen werden soll, unsicher sei und vom Versicherten nicht erwartet werden könne, sich für das Verständnis der Klausel mit der komplexen Kasuistik verschiedenster Gerichte (Urteile) vertraut zu machen. Die Rechtsprechung biete kein einheitliches Bild und neige gelegentlich dazu, nur besondere Kraftanstrengungen unter die Deckung zu fassen. Offen sei auch, ob eine Muskel- oder Sehnenschädigung durch eine an sich alltägliche, aber in besonderen Situationen lang anhaltende oder sich wiederholende Anstrengung ebenfalls unter die erhöhte Kraftanstrengung zu subsumieren sei oder ob nur die quantitative Erhöhung des Krafteinsatzes unter den Versicherungsschutz fällt. Es fehle an der ausreichenden Bestimmtheit der Unfallfiktion und gebe gute Gründe, eine Intransparenz der Unfallfiktion zu erwägen, da der verwendete Begriff der erhöhten Kraftanstrengung letztlich so konturenlos sei, dass selbst der um dessen Verständnis bemühte Versicherungsnehmer ihn nicht verlässlich bestimmen könne.
II. Kriterien einer Transparenzprüfung
Die AUB besitzen eine produktkonstituierende Funktion, woraus sich für die Auslegung der AUB im Vergleich zu anderen AGB eine gesteigerte Bedeutung ergibt, welche auch eng mit dem notwendigerweise hohen Abstraktionsgrad der Begriffe in den AUB, ebenfalls verglichen mit anderen AGB, zusammen hängt. Die Bedingungen sind objektiv auszulegen. Abgestellt wird darauf, was ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Klausel. Der klare und unmissverständliche Wortlaut ist zugleich die Grenze der Auslegung, die nicht überschritten werden kann.
Aus dem Gebot der Klarheit lässt sich auch das Erfordernis der Bestimmtheit begründen. Die Verständlichkeit ist anzunehmen, wenn der durchschnittliche Kunde des jeweiligen Vertragstyps den gewollten Sinn einer Klausel aus sich heraus erfassen kann. Regelungen sind daher grundsätzlich so zu formulieren und zu gestalten, dass auch juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildete Versicherte sie ohne besondere Erläuterungen verstehen können. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer müssen hiernach die mit der Klausel verbundenen Risiken und Belastungen wie auch wirtschaftlichen Folgen soweit erkennbar sein, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.
Die Verpflichtung, Regelungen klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des tatsächlich Möglichen. Bei objektiven Schwierigkeiten, die Kombination verschiedener rechtlicher und tatsächlicher Umstände bei der Formulierung einer Klausel zu erfassen, wird die Wirksamkeit nicht dadurch infrage gestellt, dass sich dem Durchschnittskunden Inhalt und Tragweite erst nach näherer Befassung mit der Gesamtheit der Regelung erschließt. Welche Anstrengungen dem Kunden zumutbar sind, richtet sich auch nach der Art und Bedeutung des Vertrags(-typs). Komplexe Vertragsgestaltungen erfordern eine intensivere Lektüre und größere Verständnisbemühungen als Standardverträge.
Eine Überspannung der Transparenzanforderungen an AGB ist zu vermeiden, da ansonsten die Rationalisierungsfunktion nicht mehr erfüllt werden kann. Nicht jede Vereinfachung oder kleinere Ungenauigkeit führt zur Unzulässigkeit. Eine Fokussierung der dargebotenen Informationen auf einige zentrale Parameter oder den Kern einer Regelung ist auch deshalb erforderlich, weil sonst die Gefahr einer Informationshypertrophie besteht, die dann selber wieder einen Grund für Intransparenz darstellt. Man wird daher nicht verlangen können, die Folgen einer Vorschrift für alle denkbaren Fallgestaltungen zu erläutern oder komplizierte Regelungen im Einzelnen zu erörtern, wenn der Durchschnittsverbraucher im Detail überfordert wäre. Eine fernliegende Auslegung, von welcher der normale Rechtsverkehr nicht ausgeht und die diesen deshalb nicht gefährdet, führt nicht zur Unwirksamkeit, ebenso wenig wie die Annahme fernliegender Extrem- und Groteskfälle.
Auch führt nicht jeder Verstoß gegen das Transparenzgebot zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen. Rechtsfolge kann auch sein, dass AGB nicht Vertragsbestandteil werden oder zu Lasten des Verwenders wirken.