StVG § 3 Abs. 1; FeV § 11 Abs. 10 § 13 Abs. 1 Nr. 2c § 46 Abs. 3
Leitsatz
Die Wiederherstellung der Fahreignung durch Teilnahme an einem Kurs nach § 11 Abs. 10 FeV nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens kann einer Entziehungsverfügung im gerichtlichen Verfahren nicht mehr entgegengehalten werden.
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 4.11.2013 – 12 ME 175/13
Sachverhalt
Der ASt. wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis (u.a.) der alten Klasse 3. Der ASt. führte am 9.12.2012 ein Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr mit einem Blutalkoholgehalt von 1,77 ‰. Die AG forderte ihn auf, ein Eignungsgutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Die Gutachter des TÜV Hessen kamen in ihrem Gutachten zu folgendem Ergebnis:
"Es ist zu erwarten, dass die untersuchte Person in Zukunft ein Kfz unter Alkoholeinfluss führen wird. Die Verhaltensprognose kann jedoch durch die Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung für alkoholauffällige Kraftfahrer nach § 70 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) günstig beeinflusst werden."
In einem Begleitschreiben wies die Begutachtungsstelle den ASt. darauf hin, dass er nach erfolgreicher Teilnahme an einem amtlich anerkannten Nachschulungskurs die Fahrerlaubnis wieder bekommen könne. Dies bedeute zwar eine kleine zeitliche Verzögerung von ca. 6–8 Wochen. Es helfe ihm jedoch seine Fahrerlaubnis auf Dauer zu behalten.
Mit Bescheid v. 10.6.2013 entzog die AG dem ASt. (ohne vorherige Anhörung) die Erlaubnis zum Führen von Kfz unter Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Das VG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die gegen den Beschluss des VG erhobene Beschwerde des ASt. hat keinen Erfolg."
Der ASt. hat im gerichtlichen Verfahren eine ergänzende Stellungnahme des TÜV Hessen v. 19.7.2013 vorgelegt, in der einer der Gutachter die zitierte Kursempfehlung wie folgt erläutert:
“Sicherlich kann diese Formulierung im Hinblick auf das gewählte Conditionalis missverständlich aufgefasst werden.
Wir wollten jedoch zum Ausdruck bringen, dass durch die Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Fahreignung Herr D. die begründeten Bedenken an seiner Fahreignung ausräumen kann, mithin nach erfolgreicher Kursteilnahme die Fahreignungsvoraussetzungen wiederhergestellt sind.‘
Der ASt. hat zudem eine Bestätigung über die – von der AG zuvor genehmigte – Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung für alkoholauffällige Kraftfahrer v. 1.8.2013 vorgelegt.
Er macht zur Begründung seiner Beschwerde unter Bezugnahme auf diese Unterlagen geltend: Das Schreiben des TÜV Hessen v. 19.7.2013 stelle klar, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung eben keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Fahreignung bestanden hätten. Die AG hätte allenfalls die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis davon abhängig machen müssen, dass ein entsprechender Kurs belegt werde. Er habe zwischenzeitlich den Kurs erfolgreich abgeschlossen.
Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern.
Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob jemand zum Führen von Fahrzeugen geeignet ist, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (st. Rspr. d. Sen., z.B. Beschl. v. 21.3.2013 – 12 ME 42/13; Beschl. v. 26.4.2013 – 12 ME 11/13). Zu dem danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis ist die AG auf der Grundlage des Gutachtens des TÜV Hessen zu Recht von der Ungeeignetheit des ASt. ausgegangen. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass– im Zeitpunkt der Begutachtung – zu erwarten sei, dass der ASt. (auch) in Zukunft ein Kfz unter Alkoholeinfluss führen werde. Die Gutachter führen zwar weiter aus, dass diese Verhaltensprognose durch die Teilnahme an einem Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer günstig beeinflusst werden könne. In der erläuternden Stellungnahme v. 19.7.2013 spricht einer der Gutachter zudem von bloßen “Bedenken‘ an der Fahreignung. Für den Senat ist aber nicht zweifelhaft, dass die Gutachter des TÜV Hessen im Ergebnis nicht allein “Eignungsbedenken‘ bzw. “Eignungszweifel‘ festgestellt haben, die zunächst noch aufzuklären gewesen wären, sondern dem ASt. einen die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigenden “Eignungsmangel‘ attestiert haben. Die Gutachter beziehen sich mit ihrer Kursempfehlung ersichtlich auf die Möglichkeit der Wiederherstellung der Fahreignung nach § 11 Abs. 10 FeV. Eine “Wiederherstellung der Eignung‘ kommt nach dieser Vorschrift aber nur bei festgestellten “Eignungsmängeln‘ in Betracht. Ein solcher Kurs dient dagegen nicht der Klärung von bloßen Eignungsbedenken. Der Entziehung seiner Fahrerlaubnis kann der ASt. auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er zwischenzeitlich einen nach § 70 FeV anerkannten Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer besuch...