GKG KV Nr. 9003; ZPO § 91; StPO § 464a
Leitsatz
Beauftragt der am Ort des Gerichts wohnhafte Mandant mit seiner Verteidigung einen nicht am Gerichtsort kanzleiansässigen Rechtsanwalt, gehört die Aktenversendungspauschale zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 464a StPO. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob etwa angefallene Terminsreisekosten des auswärtigen Verteidigers erstattungsfähig sind.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Köln, Beschl. v. 20.12.2013 – 53 Ds 44/13
Sachverhalt
In dem vor dem AG Köln geführten Strafverfahren bestellte sich für den ebenfalls in Köln wohnhaften Angeschuldigten die in Düsseldorf kanzleiansässige Verteidigerin im Zwischenverfahren: Die Verteidigerin beantragte Akteneinsicht mit der Bitte um Übersendung der Akte in ihre Kanzlei. Nach einer schriftlichen Stellungnahme der Verteidigerin wurde das Verfahren im Zwischenverfahren durch Beschluss des AG Köln gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt und der Staatskasse sowohl die Kosten als auch die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten auferlegt. Hieraufhin beantragte der durch seine Verteidigerin vertretene Angeschuldigte die Festsetzung seiner Anwaltskosten, u.a. auch die von der Verteidigerin gezahlte Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR. Diese Kosten hat die Rechtspflegerin antragsgemäß festgesetzt. Die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Landeskasse hat gegen den ihr zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss "sofortige Beschwerde" eingelegt mit der Begründung, die Berechnung der Aktenversendungspauschale sei nicht gerechtfertigt. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und der Abteilungsrichterin zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die nach §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 1 S. 1 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 2, S. 3 RPfIG zulässige befristete Erinnerung ist unbegründet. Denn diese Pauschale ist zu Recht festgesetzt worden."
1. Die gegen die Festsetzung der Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR eingelegte “sofortige Beschwerde‘ ist als befristete Erinnerung i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 1 RPfIG auszulegen, da nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel mangels Erreichens des Beschwerdewerts von 200 EUR nicht gegeben ist, vgl. §§ 11 Abs. 1, 2 RPfIG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 ZPO. Die auch für die Erinnerung geltende Wochenfrist des Beschwerdeverfahrens ist gewahrt, vgl. §§ 11 Abs. 2 S. 1 RPfIG, 311 Abs. 2 StPO.
2. Die Kosten für die Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR sind im vorliegenden Verfahren als notwendige und daher im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähige Kosten anzusehen. Dem Angeschuldigten, gegen den das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, sind gem. § 467 StPO die notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten. Zu den notwendigen Auslagen gehören gem. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Bei der Aktenversendungspauschale, die im Rahmen der für ein Strafverfahren zur Verteidigung des Angeklagten erforderlichen Akteneinsicht anfällt, handelt es sich im konkreten Fall um notwendige, nämlich zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderliche und damit vom Mandanten zu erstattende Auslagen i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO.
Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten i.S.d. § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen; sie ist lediglich gehalten, die kostengünstigste Maßnahme auszuwählen (vgl. BGH BRAGOreport 2003, 13 (Hansens) = AGS 2003, 97). In der Rspr. ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt diese Kosten im Rahmen des mit dem Mandanten bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrags gem. §§ 670, 675 BGB erstattet verlangen kann (vgl. auch LG Berlin Berl. AnwBl. 1997, 442; AG Lahr AGS 2008, 338 m. Anm. N. Schneider).
Dies gilt im konkreten Verfahren auch für die Erstattung dieser Kosten durch die Landeskasse. Im konkreten Fall, in dem der angeklagte Mandant am Ort des Gerichts wohnt und mit seiner Verteidigung einen nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hat, gehört die Aktenversendungspauschale ebenfalls zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO. Denn ein auswärtiger Verteidiger kann das Recht auf Akteneinsicht vernünftigerweise und sachdienlich nur durch die Übersendung der Akte ausüben; er kann im Rahmen der ihm obliegenden Geschäftsführung angesichts des damit verbundenen Aufwands nicht verpflichtet werden, die Strafakte auf der Geschäftsstelle einzusehen. Die Möglichkeit, ein Postfach vorzuhalten, besteht ohnehin nur für einen ortsansässigen Verteidiger. Ein Angeklagter ist grds. auch berechtigt, einen Verteidiger seiner Wahl und seines Vertrauens mit seiner Verteidigung zu beauftragen; er kan...