Zinsfuß, Dynamisierung, Kapitalertragsteuer
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Bei der Regulierung von schweren Personenschäden (insbesondere Kfz-Haftpflicht sowie allgemeine Haftpflicht/Arzthaftpflicht) sind in aller Regel sowohl der Geschädigte als auch der eintrittspflichtige Versicherer daran interessiert, die grundsätzlich in Rentenform geschuldeten Leistungen für die Zukunft mit einer einmaligen Zahlung abzufinden.
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Zwar sind gemäß § 843 Abs. 1 und 2 BGB wiederkehrende Leistungen aufgrund der Verletzung einer Person in ihrer Gesundheit grundsätzlich in Rentenform geschuldet. Lediglich im Falle eines wichtigen Grundes sieht das Gesetz einen Anspruch auf Kapitalzahlung vor (§ 843 Abs. 3 BGB). Im Wege eines Vergleiches können die Parteien aber gleichwohl eine Kapitalabfindung grundsätzlich frei vereinbaren. Allerdings wird immer wieder, gerade auch besonders aktuell, gefordert, einen generellen Anspruch auf Kapitalisierung einzuführen. Diese Frage soll hier aber nicht näher behandelt werden, sondern einem weiteren Beitrag vorbehalten bleiben.
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Um einen zur Abfindung der geschuldeten Renten angemessenen Kapitalbetrag zu ermitteln, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen.
A. Kapitalisierungsgrundsatz
Zunächst gilt der Grundsatz, dass der zu zahlende Kapitalbetrag ausreichen muss, "um den Geschädigten in die Lage zu versetzen, durch Kapitalabbau und Zinserträgnisse die Rente zu bestreiten." Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müssen sowohl die Laufzeit als auch der für die Erwirtschaftung der Zinsen voraussichtlich geltende Zinsfuß berücksichtigt werden. Da als sicher angenommen werden kann, dass sich die zu ersetzenden Schäden (zum Beispiel Verdienstausfallschaden, Haushaltsführungsschaden, vermehrte Bedürfnisse), unter anderem aufgrund der Inflation, im Laufe der Jahre erhöhen, muss dieser Umstand bei der Ermittlung des Kapitalbetrags ebenfalls berücksichtigt werden (Dynamisierung).
Schließlich ist zu bedenken, dass seit 2009 Zinserträge pauschal zu versteuern sind. Diese Kapitalertragsteuer wird direkt von der Bank abgeführt und beträgt aktuell 25 % der pro Jahr erwirtschafteten Zinsen. Eine Erhöhung kann nicht ausgeschlossen werden und wird in der Politik aktuell diskutiert. Auch dieser Gesichtspunkt ist bei der Ermittlung des Kapitalbetrags mit einzubeziehen.
B. Kapitalisierung
I. Laufzeit
Zunächst ist in aller Regel die Laufzeit der Rente zu bestimmen. Die Parteien müssen hierzu für das Rentenende ein bestimmtes Lebensalter vereinbaren. Dabei ist das Versterbensrisiko mit einzubeziehen. Die dafür notwendigen Informationen bieten die von dem Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlichten Sterbetafeln.
Bei der Bestimmung des Lebensalters für das Ende der Laufzeit der Rente kommt es allerdings häufig zu Meinungsverschiedenheiten. Das Ergebnis kann je nach Art des der jeweiligen Rente zugrundeliegenden Schadensersatzanspruchs unterschiedlich sein.
1. Erwerbsschaden
Beim Erwerbsschaden wird fast stets kontrovers diskutiert, wann der Geschädigte ohne das Schadensereignis seinen Beruf aufgegeben und Altersrente bekommen hätte. In Betracht kommen z.B. das 65. Lebensjahr, das 67. Lebensjahr oder – gerade bei jungen Geschädigten – ein noch späterer Zeitpunkt, zum Beispiel das 70. Lebensjahr.
Dies wird natürlich im Einzelfall zu entscheiden sein. Bei Geschädigten, die bereits seit langer Zeit im Erwerbsleben stehen, ist es möglich, dass sie, trotz Rentenabschlägen, ohne das Schadensereignis bereits mit 65 oder gar 63 Jahren ihre Erwerbstätigkeit beendet und sich für den Bezug von Altersrente entschieden hätten. Berücksichtigt man die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr sowie die derzeitige demografische Entwicklung, die eine weitere Anhebung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wahrscheinlich macht, ist mit abnehmendem Alter ein späterer Beginn des Altersrentenbezugs immer wahrscheinlicher und somit die Laufzeit des Erwerbsschadens entsprechend zu verlängern. Soweit Küppersbusch/Höher darauf hinweisen, dass das 67. Lebensjahr "ein aus Gründen der Entlastung der Sozialkassen gesetzgeberisches, fiktives Datum, das in der Praxis des Arbeitsmarktes noch nicht umgesetzt ist", sei, so muss dem entgegen gehalten werden, dass aktuell natürlich noch die Übergangsregelung einer schrittweisen Anhebung auf das 67. Lebensjahr gilt. Deshalb kann nicht damit argumentiert werden, dass derzeit kaum jemand erst mit dem 67. Lebensjahr in den Ruhestand eintritt. Die aktuellen Statistiken der DRV bestätigen, dass bereits jetzt das tatsächliche Renteneintrittsalter kontinuierlich ansteigt. Das bedeutet in der Praxis, dass bei ab 1964 geborenen Geschädigten stets mindestens das 67. Lebensjahr, wenn nicht ein noch höheres Alter bei der Kapitalisierung sachgerecht ist.
Bei den Beratungen des Arbeitskreises I des Deutschen Verkehrsgerichtstags 2013 gab es eine beachtliche Anzahl von Stimmen, die zurec...