Ob eine merkantile Wertminderung bei einem "Altfahrzeug" angenommen werden kann, ist im Laufe der Zeit nach der grds. Anerkennung der merkantilen Wertminderung unterschiedlich beantwortet worden. Nachdem der BGH in seiner Grundsatzentscheidung v. 3.10.1961 (NJW 1961, 2253 = VersR 1961, 1043) von einem merkantilen Minderwert eines Unfallfahrzeugs trotz Behebung der Schäden im Hinblick auf den von etwaigen Käufern des Fahrzeugs gehegten Befürchtungen fortbestehender Schäden und damit der geminderten Chance einer für den Verkäufer günstigen Preisgestaltung ausging, wurde zunächst eine Grenze für die Annahme einer merkantilen Wertminderung gezogen, die aus Laufzeit und Laufleistung abgeleitet wurde. Die Entschließung des Verkehrsgerichtstags 1975 zog die Grenzen für die Zubilligung einer ersatzfähigen Wertminderung bei einer Laufleistung von 100.000 Kilometern und/oder einer Laufzeit von fünf Jahren. Die verbreitete Tabelle vor Ruhkopf/Sahm (VersR 1962, 593) sah in Fortschreibung dieser Grenzziehungen eine Wertminderung nicht vor, wenn der Pkw älter als 4 Jahre oder eine Laufleistung von mehr als 100.000 Kilometern aufwies. Dem schlossen sich Urteile bis 1990 an (vgl. OLG Karlsruhe zfs 1990, 347; OLG Karlsruhe NZV 1990, 388). Überzeugend ist das heute nicht mehr. Angesichts der durch Fortschritte der Automobiltechnik deutlich gesteigerten Laufleistungen und der im Automobilhandel vorherrschenden Orientierung an der Höhe der Reparaturkosten für die Preisbemessung, nicht aber der zurückgelegten Laufleistung von Gebrauchtwagen, erscheint eine starre Grenze für die Zubilligung einer merkantilen Wertminderung verfehlt (vgl. Fleischmann/Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat – Bd. 2 – Verkehrszivilrecht, 5. Aufl., § 7 Rn 195; Richter, in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 1. Aufl., Kapitel 4 Rn 444). Vielmehr können der Erhaltungszustand und die Marktgängigkeit eines gebrauchten Unfallwagens einen merkantilen Minderwert herbeiführen. So hat das OLG Oldenburg selbst bei einer Laufleistung von 195.648 Kilometern eine merkantile Wertminderung anerkannt (vgl. DAR 2007, 522). Dass auch bei einem Fahrzeugalter von mehr als 5 Jahren beachtliche Preise erzielt werden können, zeigen auch die Bewertungslisten von Schwacke und DAT, die in ihren Notierungen bis zu 12 Jahre zurückgehen (vgl. auch Zeisberger/Woyte/Schmidt/Mennicken, Der merkantile Minderwert in der Praxis, 47–49). Die Rspr. zeigt auch bezüglich des Alters von Unfallfahrzeugen eine Tendenz zur Anerkennung von merkantilen Minderwerten (vgl. AG Hattingen zfs 2000, 295; LG Berlin NJW-RR 2009, 1475 (Alter: 11 Jahre, 3 Monate)).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 2/2014, S. 82 - 83