[20] "… 2. Das BG hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Kl. die von ihr geltend gemachten Ansprüche zustehen. Mangels Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl kann die Kl. weder aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, §§ 127 Abs. 1, 129 VVG (hierzu unten a) noch aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, §§ 127, 129 VVG und §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, § 3 Abs. 3 BRAO (hierzu unten b) Unterlassung verlangen."
[21] a) Zwar ist die Kl. anspruchsberechtigte Stelle i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG (vgl. BGH GRUR 1998, 835 unter I). Ebenso folgt aus einer Abweichung von halbzwingenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum Nachteil des VN die für einen Anspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Unwirksamkeit nach § 307 BGB (Senat BGHZ 191, 159 Rn 19). Die gem. § 129 VVG halbzwingende Norm des § 127 VVG ist aber nicht verletzt. Die angegriffenen Bestimmungen in § 5a Abs. 5 ARB 2009 verstoßen nicht gegen das Recht des VN auf freie Anwaltswahl.
[22] aa) Die zunächst vorzunehmende Auslegung der streitgegenständlichen Klauseln ergibt, dass die Bekl. entgegen der Ansicht der Kl. die Liste ihrer Partneranwälte nicht offenbaren muss und folglich dem VN hieraus auch keine Auswahl zu ermöglichen braucht.
[23] AVB sind nach gefestigter Rspr. des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. …
[24] § 5a Abs. 5 a) bb) und b) bb) ARB 2009 knüpfen die Fiktion der Schadenfreiheit und eines nicht schadenbelasteten Verlaufs daran, dass “ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom VR empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird‘. Dem durchschnittlichen VN erschließt sich aus den Bestimmungen über die Kostenerstattung in der Rechtsschutzversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 ARB 2009) zunächst, dass der VR primär keine Sachleistung erbringt, sondern lediglich Kosten erstattet. Daher weiß der durchschnittliche VN, dass er selbst den Anwalt zu beauftragen hat. Dies bestätigen ihm die streitgegenständlichen Klauseln ausdrücklich. Ihr weitergehender Regelungsgehalt erschöpft sich darin – für den Fall, dass der VN einen Rechtsanwalt wählt, der aus dem Kreis der vom VR empfohlenen Anwälte stammt – eine Schadenfreiheit und einen nicht schadenbelasteten Verlauf zu fingieren. Auf welche Art und Weise der VN informiert wird, damit dieser einen empfohlenen Anwalt beauftragen kann, regeln die Klauseln dagegen für ihn erkennbar nicht. Sie besagen nicht, dass der VR dem VN den Kreis aller Partneranwälte offen zu legen und dem VN die Auswahl hieraus zu überlassen hätte. Die von den Klauseln allein eröffnete Möglichkeit des VN zur Beeinflussung des Schadenfreiheitssystems durch Mandatierung eines empfohlenen Anwalts besteht bereits, wenn der VR dem VN lediglich einen Rechtsanwalt nennt. Mit dieser Information kann der VN entscheiden, ob er den ihm benannten Anwalt beauftragen will oder sich stattdessen einen anderen Anwalt suchen möchte. Umgekehrt greift die Klausel auch ein, wenn der VN – etwa auf Grund eines vorherigen Mandatsverhältnisses – einen auf der aktuellen Empfehlungsliste des VR befindlichen Rechtsanwalt mandatiert, selbst wenn in der Deckungszusage des VR ein anderer Anwalt genannt worden sein sollte. Daher wird der durchschnittliche VN den angegriffenen Klauseln auch keine weitergehenden Rechte wie etwa Ansprüche auf Offenlegung aller Partneranwälte des VR entnehmen.
[25] bb) Die Freiheit der Anwaltswahl schließt nicht jegliche Anreizsysteme des VR hinsichtlich der vom VN zu treffenden Entscheidung aus, welchen Rechtsanwalt er mandatiert.
[26] (1) Gem. § 127 Abs. 1 S. 1 VVG ist der VN berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der VR nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies bedeutet kein gesetzliches Recht des VR, den Rechtsanwalt auszuwählen, sondern eröffnet ihm lediglich die Möglichkeit, allgemeine Kriterien des Deckungsumfangs herauszuarbeiten. Im Rahmen des so festgelegten Leistungsumfangs steht dem VN die Auswahl des Rechtsanwalts frei (Hillmer-Möbius, in Schwintowksi/Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 127 Rn 3). Nach § 127 Abs. 1 S. 2 VVG gilt dies auch, wenn der VN Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.
[27] (2) Nach richtlinienkonformer Auslegung des § 127 VVG ist die Freiheit der Anwaltswahl nicht mit einem Verbot sämtlicher Anreizsysteme seitens des VR gleichzusetzen. Liegt die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim VN, ist nach der maßgeblichen Rspr. des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine unvollständige Deckung der Kosten zulässig, sofern die freie Anwaltswahl nicht au...