StVO § 23 Abs. 1a
Leitsatz
Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann allein der Umstand, dass der Betroffene eine "typische Handbewegung" vorgenommen hat, die Schlussfolgerung, er habe ein Mobiltelefon an sein Ohr gehalten, nicht lückenlos und folgerichtig begründet werden.
Thüringer OLG, Beschl. v. 27.8.2013 – 1 Ss Rs 26/13 (63)
Sachverhalt
Durch Bußgeldbescheid wurde gegen den Betr. wegen des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO eine Geldbuße i.H.v. 40 EUR verhängt. In der Hauptverhandlung wurde er entsprechend dem Bußgeldbescheid verurteilt. Zur Beweiswürdigung ist in den Gründen des Urteils ausgeführt:
"Der Betr. hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Aufgrund der uneidlichen Aussagen von Polizeiobermeister S in der Hauptverhandlung ist das Gericht jedoch sicher davon überzeugt, dass der Betr. so wie festgestellt ein Mobiltelefon benutzte, als er sein Transportfahrzeug führte. Polizeikommissar S hat anschaulich und aus offensichtlich erkennbar präsentem Wissen geschildert, wie er beobachtet hat, dass der Betr. beim Fahren seines Transportfahrzeugs ein Mobiltelefon benutzte. Der Zeuge Polizeikommissar S konnte sich auch genau daran erinnern, weshalb er sich zur Verkehrskontrolle des Betr. und seines Pkw entschlossen hatte. Er hatte nämlich beobachtet, wie der Betr. die für die Nutzung eines Mobiltelefons typische Handbewegung zu seinem Ohr hin machte und auch gesehen, wie der Betr. die Hand wieder vom Ohr und in Richtung Mittelkonsole/Armaturenbrett bewegt hat. Offensichtlich hatte der Betr. in diesem Moment die uniformierten Polizeibeamten wahrgenommen und wollte durch das Weglegen des Mobiltelefons dessen vorangegangene Nutzung vertuschen."
Das Thüringer OLG hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen, das angefochtene Urt. aufgehoben und das Verfahren eingestellt, § 47 Abs. 2 OWiG.
2 Aus den Gründen:
" … a) Das angefochtene Urt. ist auf die Sachrüge hin aufzuheben. Denn die im Urt. enthaltene Beweiswürdigung vermag die tatrichterliche Feststellung, der Betr. habe ein Mobiltelefon i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO “benutzt‘, d.h. mit seinen Händen aufgenommen oder gehalten, nicht rechtsfehlerfrei zu tragen."
Ausweislich der Urteilsgründe hat der Tatrichter seine Überzeugung, der Betr. habe mit seiner Hand ein Mobiltelefon an sein Ohr gehalten, auf die Angaben des Zeugen S gestützt. Dieser aber hat – wie sich aus den Urteilsausführungen eindeutig ergibt – gerade kein Mobiltelefon in den Händen des Betr. gesehen, sondern vielmehr nur eine “für die Nutzung eines Mobiltelefons typische Handbewegung zu seinem Ohr hin‘ wahrgenommen. Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann indes allein der Umstand, dass der Betr. eine solche “typische Handbewegung‘ vorgenommen hat, die Schlussfolgerung, er habe ein Mobiltelefon an sein Ohr gehalten, nicht lückenlos und folgerichtig begründen, zumal eine Vielzahl von Gründen dafür denkbar ist, dass der Betr. seine Hand (auch ohne ein Mobiltelefon) an sein Ohr geführt haben könnte. Ein solches weiteres belastendes Indiz könnte beispielsweise ein in Reichweite des Betr. auf dem Beifahrersitz oder der Ablage liegendes Mobiltelefon sein. Ob der Betr. überhaupt ein Mobiltelefon in seinem Pkw mitgeführt hat bzw. die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten nach dem Anhalten des Betr. ein solches in seinem Pkw wahrgenommen haben, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen.
b) Der Senat hält die Ahndung des der Betr. zur Last gelegten Verkehrsverstoßes für nicht geboten, da nach der Aufhebung des angefochtenen Urt. auf die zugelassene Rechtsbeschwerde eine Zurückverweisung der Sache zu einer erneuten umfangreichen Beweisaufnahme – auch zum Vorhandensein eines Mobiltelefons im Pkw des Betr. – führen würde, die im Hinblick auf die Bedeutung der Sache unangemessen wäre (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 47 Rn 41 m.w.N.). … (im Übrigen zu den Voraussetzungen des § 47 OWiG und zur Kostenentscheidung)“
3 Anmerkung:
Das Thüringer OLG bestätigt inzident die ohnehin schon äußerst schwierige Nachweispraxis eines Verstoßes nach § 23 Abs. 1a StVO. Die klare Absage an den Rückschluss aus einer "typischen" Handbewegung auf die Benutzung eines Mobiltelefons widerspricht dabei auch nicht der Rspr. des OLG Hamm (NZV 2007, 483): Zulässig ist nach dieser Rechtsprechung der Schluss auf die Nutzung bzw. das Telefonieren nur, wenn ein Mobiltelefon tatsächlich ans Ohr gehalten wurde. Dass dies geschah, muss aber positiv festgestellt werden. Denn maßgeblich für den Verstoß ist, dass das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird (OLG Hamm NJW 2006, 2870). Wenn diese Feststellung im Urt. nicht getroffen wurde, genügt dies – so das Thüringer OLG – nicht für eine Verurteilung.
Aus der Praxis kann diesbezüglich ergänzt werden, dass die Möglichkeiten der Tataufklärung vor Ort oft nur rudimentär ausgeschöpft werden: Oftmals finden sich im Einsatzbericht, wenn es denn überhaupt einen gibt, keine Angaben dazu, ob sich im Fahrzeug ein Telefon befand, wenn ja wo, ob andere technische Geräte (oder ein Rasiergerät) vorhanden war, um üblichen Schutzbehauptungen vorzu...