In einer Reihe von Entscheidungen hat der BGH ein neues System der Berechnung fiktiver Reparaturkosten entwickelt (vgl. Porsche-Entscheidung zfs 2003, 405; VW-Urteil zfs 2010, 143; BMW-Urteil zfs 2010, 494; Audi-Quattro-Urteil VersR 2010, 1096; Mercedes-A 170-Urteil zfs 2010, 497; Mercedes-A 140-Urteil zfs 2010, 621).
Ergebnis dieser Rspr.-Linie ist es, dass der Geschädigte nur grds. die gegenüber den Stundenverrechnungssätzen als wesentliches Preisbildungsmerkmal höheren Beträge einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen darf. Die hierzu entwickelten Ausnahmen bilden eher den Regelfall ab. Bei Kfz, die älter als drei Jahre sind und nicht in einer markengebundenen Werkstatt – scheckheftgepflegt – worden sind, dürfen die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt nicht mehr angewandt werden, wenn der Haftpflichtversicherer frei zugängliche freie Fachwerkstätten nachweist, die bezüglich ihrer Preisgestaltung mit dem Haftpflichtversicherer keine Sonderkonditionen für von dieser beigebrachte Kunden vereinbart haben und vom Qualitätsstandard der Markenwerkstatt vergleichbare Reparaturarbeiten liefern.
Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die Klärung der Gleichwertigkeit der Reparaturtätigkeit der freien Werkstatt mit der einer markengebundenen Werkstatt. Da bei einer fiktiven Abrechnung eine Reparaturtätigkeit gerade nicht entfaltet wird, sind zwei fiktive Verfahrensabläufe miteinander zu vergleichen (vgl. auch Anmerkung zu OLG Frankfurt zfs 2011, 500).
Dass eine Klärung der von dem Schädiger und seiner Haftpflichtversicherung nachzuweisenden Gleichwertigkeit der Reparatur in einer freien Werkstatt nur durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfolgen kann, ist entgegen allen Versuchen, eine "ungeliebte" Beweisaufnahme zu umgehen, nicht zweifelhaft. In juristischen Darstellungen ausgesprochene Bekenntnisse, dass von einer Gleichwertigkeit deshalb auszugehen sei, weil markengebundene Werkstätten Karosseriearbeiten an freie Werkstätten im Wege des Outsourcing vergeben (vgl. Figgener, NJW 2008, 1349; ders., NZV 2008, 633) begründen allenfalls einen Anhaltspunkt für diese Annahme, aber keine für eine Feststellung in einem Urt. Auch die These, dass kein Erfahrungssatz des Inhalts bestehe, dass eine markengebundene Werkstatt über kein höheres "know-how" gegenüber dem einer freien Fachwerkstatt verfüge (so OLG Frankfurt zfs 2011, 499) genügt nicht für eine Gewissheit der Gleichwertigkeit der Reparaturqualität einer freien Werkstatt. Zum einen wird damit eine nicht belegte Sachkunde des Gerichts hinsichtlich dieser Frage behauptet, zum anderen verkannt, dass die Gleichwertigkeit der Reparaturtätigkeit der freien Werkstatt nachzuweisen ist. Der Vergleich zweier fiktiver Verfahrensabläufe, der Reparaturtätigkeit in der markengebundenen Werkstatt und der freien Werkstatt kann nur durch den Sachverständigen dargestellt werden. Dabei genügt es nicht, die Vorgaben der Reparaturtätigkeit in der freien Werkstatt anzuführen und ihr Resultat unterstellt und damit ein Arbeitsergebnis angenommen mit der üblichen Qualität der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt abzugleichen. Dies ist nur der erste Schritt der Vergleichstätigkeit. Vielmehr muss von dem Sachverständigen auch geprüft werden, ob die Vorgaben der Reparaturtätigkeit in der freien Werkstatt auch umgesetzt werden. Dazu besteht auch deshalb Veranlassung, weil in den Heften 9 des ADAC und der Stiftung Warentest im Jahre 2009 eine bemerkenswert niedrigere Qualität der Reparaturen in freien Werkstätten gegenüber der in markengebundenen Werkstätten angeführt wird.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 2/2014, S. 80 - 82